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Die ganze Macht des Monopols

Wie der Essener WAZ-Konzern zwei kleine Wochenblätter im Revier wegzubeißen versucht – obwohl die sich dem Zeitungsmonopol längst unterwerfen mußten  ■ Aus Essen David Schraven

Eigentlich gehört ihnen hier alles. An Rhein und Ruhr hat sich der Essener WAZ-Konzern, hervorgegangen aus der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung mit teils rüden Methoden ein veritables Zeitungsmonopol gesichert – in enger Tuchfühlung mit der SPD- Macht im Lande. Auf ihren Märkten duldet das Zeitungsimperium mit einer regionalen Gesamtauflage von über 800.000 keine noch so kleine Konkurrenz. Nun bekommen das zwei Mini-Wochenzeitungen in Essen zu spüren.

Trotz allem haben sich die Stadtteilwochenzeitungen Borbecker Nachrichten und Werdener Nachrichten halten können. Ausgerechnet am Stammsitz des längst europaweit agierenden Konzerns.

Seit Ende der vierziger Jahre erscheinen die beiden Blätter in zwei Stadtteilen Essens. In all den Jahren blieb man vom örtlichen Zeitungsmonopol stets unbehelligt, weil sich der familieneigene Verlag früh auf eine Art Machtaufteilung mit den Konzernherren einließ. „Die Kontakte mit der WAZ waren stets gut“, beteuert der heute 73jährige Geschäftsführer Walter Wimmer. Besonders zum WAZ- Geschäftsführer Günther Grotkamp war das Verhältnis ausgezeichnet, seit er sich 1966 den Druckauftrag für die Blätter sicherte. Der aus Essen-Werden stammende WAZ-Chef habe seiner Mutter versprochen, er werde dafür sorgen, daß den Werdener Nachrichten nie etwas passieren würde, wird gemunkelt. 1988 kaufte sich die WAZ sogar mit 50 Prozent beim Wimmer-Verlag ein. Das Monopolverfahren der Kartellwächter dagegen wurde eingestellt, weil die diese einen Termin versäumten.

Die friedliche Machtaufteilung sah so aus: Die WAZ verzichtete auf eigene Seiten für Borbeck und Werden. Und die WAZ-Marketing-Tochter verkaufte überregional Anzeigen für die Blätter des Kleinverlags mit, als wären's ihre eigenen. So war ihr Erscheinen schon in den letzten Jahren eine Sache der Gnade der WAZ.

Seit dem 23. April ist es mit der Gnade vorbei. Zuerst setzte die WAZ zwei Anzeigenblätter gegen Wimmers Wochenzeitungen. Dann spickte sie ihre Flaggschiffe Westdeutsche Allgemeine und Neue Rhein-/Ruhr-Zeitung mit Stadtteilseiten für die beiden Bezirke. Ziel: Der Anzeigenmarkt der Wochenzeitungen soll zerstört werden. Dies wäre das Ende für die Blätter, die sich bei einer Gesamtauflage von über 25.000 Exemplaren (davon etwa die Hälfte im Abo) zu zwei Dritteln aus dem Anzeigengeschäft finanzieren, wie die meisten Zeitungen.

Seine Essener Anzeigenkunden hätten von ihm verlangt, daß er ihnen Inserierungsmöglichkeiten in den beiden Stadtteilen schafft, sagte WAZ-Chef Grotkamp bei einer Veranstaltung im April – für die taz war er in der Sache nicht zu sprechen. Der eigentliche Grund für den Kampf des Goliaths gegen den David dürfte mit den Inserentenwünschen weniger zu tun haben: Die beiden Gesellschafter des Wimmer-Verlages, die WAZ und Walter Wimmer, konnten sich nicht über einen Nachfolger für den 73jährigen Wimmer einigen. Der Wunschkandidat der WAZ sei, so ist zu erfahren, zu sehr an der Konzernlinie ausgerichtet. Wimmer lehnte ab. WAZ-Chef Grotkamp bot Wimmer an, er könne die WAZ-Anteile ja zurückkaufen und sehen, wie er alleine weitermacht. Doch die Verhandlungen scheiterten „an den unterschiedlichen Preisvorstellungen“, berichtet Wimmer.

Da Wimmer die WAZ nicht herrschen läßt, wie sie will, und der Konzern wegen der Kartellbehörden nicht 100 Prozent übernehmen kann, verfahren die WAZ-Herren mit Wimmer nun, wie sie es schon anderswo mit Konkurrenten taten, die sich in ihr Gebiet vorwagten: Sie versuchen ihn rauszubeißen.

Bislang ist das nicht sehr erfolgreich. Die WAZ bot in Borbeck Sonderseiten wie sauer Bier bei den Geschäftsleuten an. Sie bot ihnen zusätzlich zu den Anzeigen sogar auch noch frei gestaltbare Schleichwerbemöglichkeiten im redaktionellen Raum, ist zu hören. Doch die Borbecker Kaufmannschaft verzichtete einstweilen. Zu eng ist sie mit den im katholischen Geist gegründeten Wimmer-Blättern verbunden. Darauf brachten die WAZ-Manager Sonderseiten, die von der Konkurrenz aus den benachbarten Städten bezahlt wurde, in ihrem neuen Anzeigenblatt Borbecker Kurier – was nach Ansicht Wimmers „die Kaufleute nur noch enger an die Borbecker Nachrichten bindet.

Auch die Leserschaft stellt sich hinter die Zeitung. Eine Bürgerinitiative hat sich gegründet, die für den Erhalt ihrer Zeitung eintritt. „Wir wollen, daß die WAZ ihre Anzeigenblätter wieder einstellt“, sagt Eugen Richter, einer der Mitbegründer. Über 6.000 Unterschriften haben die Aktivisten dafür gesammelt. Die Kirchen-, Fußball-, Schützen- und Traditionsvereine machten mit, Bundestags- und Landtagsabgeordnete schlossen sich dem Aufruf an.

Doch der Atem der WAZ ist lang. Sie ist schon mit ganz anderen Konkurrenten fertiggeworden.

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