: Ziersträucher statt Weihnachtsgeld
■ Durchbruch bei Schulautonomie: Privatschulen dürfen staatliche Zuschüsse für Personalkosten künftig für Sachausgaben verwenden. Die neue Freiheit bezahlen sie mit finanziellen Einbußen. Reaktion auf Besc
Was für staatliche Schulen noch Zukunftsmusik ist, wird für die Privatschulen schon jetzt Wirklichkeit: Sie dürfen selbst entscheiden, wofür sie ihr Geld ausgeben. Bislang durften die Schulen in freier Trägerschaft, in erster Linie Waldorf- und kirchliche Schulen, nur ihr Personal aus den Landeszuschüssen bezahlen. Künftig können sie das Geld auch für Sachausgaben verwenden, die sie bisher allein aus den Elternbeiträgen bestreiten mußten.
Sie dürfen dann beispielsweise „den Schulhof begrünen, statt ihren Lehrern das volle Weihnachtsgeld auszuzahlen“, sagte die schulpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, Sybille Volkholz. Sie hatte den entsprechenden Antrag eingebracht, den das Parlament gestern einstimmig verabschiedete. Selbst Eberhard Diepgen gratulierte der Abgeordneten zu ihrem Erfolg.
Die neue Freiheit war lange am Widerstand der Schulverwaltung gescheitert, die ihre Kontrollrechte behalten wollte. Eine Neuregelung war jedoch unvermeidlich, weil das Bundesverfassungsgericht den Privatschulen ein Recht auch auf Sachkostenzuschüsse bescheinigt hatte. Daß die Schulen dafür in den seit eh und je subventionierten Personaltopf greifen dürfen, war die billigste Lösung – das sahen schließlich auch CDU und SPD ein.
Für den Gewinn an Autonomie zahlen die Schulen der freien Träger aber auch einen Preis: Sie erhalten nicht mehr 100 Prozent des Personalaufwands vergleichbarer staatlicher Schulen erstattet, sondern nur noch 97 Prozent. Bei den Schulen, die auf ihre Anerkennung noch warten, verringern sich die Einnahmen sogar um volle zehn Prozentpunkte – von 85 auf 75 Prozent. Dafür erhalten sie diesen Betrag bereits nach drei Jahren statt bisher nach fünf bis acht Jahren. Wie bisher erhalten sie die endgültige Anerkennung und damit den vollen Satz, nachdem sie ihren ersten Jahrgang erfolgreich durchgeschleust haben – bei Grundschulen also nach sechs Jahren.
Der Spielraum, Geld für Sachausgaben durch Absenken der Personalkosten freizuschaufeln, ist jedoch begrenzt. Das Gesetz schreibt vor, daß die Privatschulen ihre Lehrer höchstens um ein Viertel schlechter bezahlen dürfen als ihre Kollegen im Staatsdienst. Auch bei den Klassengrößen und zusätzlicher Betreuung haben sie wenig Spielraum – schließlich wollen die Eltern für das Geld, das sie in die Ausbildung ihrer Sprößlinge investieren, auch eine größere Gegenleistung sehen als an den kostenlosen staatlichen Schulen.
Für Lothar Petri, der die Dahlemer Rudolf-Steiner-Schule leitet, ist die Gesetzesänderung trotzdem ein großer Fortschritt, weil sie die Schulen von „obrigkeitsstaatlicher Bevormundung“ befreie. Die bisherige Regelung sei ein Berliner Anachronismus gewesen, in keinem anderen Bundesland hätten die Privatschulen derart unter staatlicher Kuratel gestanden. Die frühzeitige Förderung für im Aufbau befindliche Schulen lasse die dreiprozentige Einbuße für die etablierten Schulen verschmerzen, meint der Waldorf-Lehrer. Einmal mehr erwiesen sich die nichtstaatlichen Schulen damit als „Vorreiter der Schulautonomie“, frohlockt Petri. Ralph Bollmann
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