: Fuck Parade contra Love Parade
■ Zur Love Parade am Wochenende machen sich heute Zehntausende von Fans in ganz Deutschland auf den Weg nach Berlin. Dort bereiten Gegner des Kommerzes eine Fuck Parade vor
Berlin (taz) – Die Gegner der Love Parade haben dazugelernt. Wenn sie morgen, am Tag des Mega-Raves, gegen „Kommerz, Ballermann-6-Niveau und Nazis“ durch Ostberlin ziehen, dann als Fuck Parade und nicht mehr wie im vergangenen Jahr als Hate Parade. Weil Punks aus Hannover den Titel mißverstehen könnten, haben sich die Organisatoren aufs Ficken verlegt. „Wir wollen nicht Berlin in Schutt und Asche legen, das sind die anderen“, heißt es im Aufruf der Gegner. „Fuck Parade hat auch etwas mit Liebe zu tun“, sagt der Frankfurter DJ Trauma XP, „nur kraftvoller.“
Was die Love Parade kann, können die Veranstalter der Gegendemo schon lange: extrem sein. Während zum Berlin Event extrem viele Leute kommen, setzen die Gegner auf extreme Musik. „Das ist nichts für einen Standard- BWLer“, warnt der 30jährige DJ vor den zahlreichen Wagen mit Hardcore Techno, Hard Acid, Punk, Heavy Metal und Gabba aus England, Japan, Australien und den Vereinigten Staaten. Dabei ist alles, was gefällt – nur kein Mainstream. „Make hardcore, not love“, so das Motto.
Wie auch im vergangenen Jahr hofft Trauma XP auf ein Publikum aus Punks, Skatern, Gabbas und Partygängern über 15. Nicht gern gesehen sind „trillerpfeifende Druffies“, so ein Szeneausdruck für Personen mit übermäßigem Drogenkonsum, „Kinder, denen Bravo eingeredet hat, daß es cool ist, an der Love Parade teilzunehmen“, und „Gaffer, die sich an eben jenen halbnackten Girlies aufgeilen“. DJ Trauma XP rechnet mit 2.000 bis 3.000 Teilnehmern. Viel mehr sollen es gar nicht sein. „Wir wollen uns ja gerade von der Love Parade unterscheiden“, so der DJ.
Das wollen auch die Schlager- DJs „Die Stimmen aus Aspik“ der Berliner „Hafenbar“, die heute nachmittag mit einem Schlager- Gedenkmarsch über den Kurfürstendamm ziehen wollen. Sie verstehen sich zwar nicht als ausgewiesene Gegner der Love Parade, doch zumindest als deren Kritiker. Unter dem Titel „Mein Freund der Baum ist tot“ soll der Sträucher und Bäume gedacht werden, die schon seit neun Jahren unter den trampelnden Massen zu leiden haben. Weil ein Liebesbekenntnis auf der Love Parade eine „Verneinung der Umwelt“ sei, so DJ „Der Fabulöse Fabian“, rufen die Schlager-DJs „das Volk zu noch mehr Liebe zu sich selbst und zu anderen“ auf. Nach jedem Single-Titel, also etwa alle drei Minuten, soll die Musik unterbrochen werden – um den Müll artgerecht in Behälter am Straßenrand zu entsorgen und „über den eigenen Platz in der Umwelt nachzudenken“.
Was den Schlagermarsch mit der Love Parade verbindet, ist die Liebe, nur anders. Der Liebe zu düsteren Bunkern und sprachlosen Bässen wollen sie eine „singende Gemeinschaft“ entgegensetzen, in der sich die Liebe auf deutsche Gemütlichkeit besinnt. Barbara Bollwahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen