: Chemiekonzerne beenden ihre Verlobung
Clariant und Ciba Spezialitätenchemie sagen Fusion ab, denn Vorstände der Schweizer Konzerne fürchten zu viele Nachteile. Stellenstreichungen sind damit vom Tisch, Mitarbeiter dementsprechend zufrieden ■ Von Kathrin Gerewitz
Berlin (taz) – Ganz ungewohnte Nachrichten aus dem Bereich der Firmenehen: Nicht etwa ein neuer Zusammenschluß macht Schlagzeilen, diesmal geht es um eine geplatzte Fusion. Die Schweizer Chemiekonzerne Clariant und Ciba Spezialitätenchemie (Ciba SC) haben überraschend ihre gemeinsamen Zukunftspläne begraben, und das nach nur einmonatiger Verlobungszeit. Die Verwaltungsräte verweigerten der Fusion ihre Zustimmung mit der Begründung, ein Zusammengehen bringe mehr Nach- als Vorteile.
Eine eingehende Prüfung habe zahlreiche Risiken zutage gefördert. Probleme gebe es sowohl im wirtschaftlichen und finanziellen Bereich, als auch bei juristischen und wettbewerbsrechtichen Fragen. Clariant-Verwaltungsratspräsident Schweizer faßte zusammen: „Die Unterschiede zwischen beiden Firmen sind größer als ursprünglich angenommen.“ Unter diesen Voraussetzungen sei es besser, wenn beide Firmen auch in Zukunft eigenständig blieben. Was das konkret heißt, darüber halten sich beide Unternehmen bedeckt. Die Sprecher erklärten auf taz-Anfrage, alles weitere sei so vertraulich, daß es die Öffentlichkeit nichts angehe.
Die Nachricht kam offenbar nicht nur für die Öffentlichkeit überraschend. Auch die 55.000 Mitarbeiter beider Konzerne waren verblüfft, als sie von der Entscheidung erfuhren. Einige von ihnen können nun aber aufatmen, denn mit der Fusion ist auch die geplante Streichung von 3.000 Stellen vom Tisch.
Die Zürcher Börse reagierte unentschieden: Während die Clariant-Aktie am Vormittag um fünf Prozent zulegte, verlor Ciba mehr als zwei Prozent. Die Analysten konnten sich die Gründe für die Absage nicht so recht erklären. Auch sie hielten sich mit der Bewertung der Nachricht eher zurück.
Clariant und Ciba SC hatten vor einem Monat ihre Fusionspläne verkündet. Gemeinsam wollten die Chemiekonzerne einen Branchenriesen mit einem Jahresumsatz von rund 18 Milliarden Schweizer Franken (fast 22 Milliarden Mark) auf die Beine stellen. Von dem Zusammenschluß erhofften sich die Vorstände Einsparungen von mehr als 600 Millionen Franken jährlich. Im vorigen Jahr erwirtschafteten beide Unternehmen einen Gewinn von jeweils rund 730 Millionen Franken.
Die Fusion wäre also eine Ehe unter gleichen Partnern gewesen und wurde deshalb in der Branche anfänglich als positiv bewertet. Das neue Unternehmen hatte seine Ziele hochgesteckt: Es wollte schneller wachsen als der Weltmarkt und bei der Forschung ganz vorne mitmischen. Sowohl Clariant als auch Ciba SC beschäftigen sich mit der Herstellung von chemischen Grundstoffen. Zu ihren Produkten zählen unter anderem Zusatzstoffe für Farben oder Kunststoffe.
Clariant gehörte ursprünglich zum Basler Chemieunternehmen Sandoz, Ciba SC war Teil des Konzerns Ciba Geigy. Beide Sparten wurden aus den Mutterfirmen ausgegliedert, als diese zum Pharmagiganten Novartis fusionierten. Bei Clariant steckt mittlerweile auch der Hoechst-Konzern mit unter der Decke: Er verkaufte 1997 seine Spezialitätenchemie-Abteilung an die Schweizer und besitzt seitdem 45 Prozent der Clariant-Aktien.
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