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Finanzsenatorin fehlen 7,5 Milliarden Mark

■ Der Vorwahlkampf dominierte die gestrige Haushaltsdebatte im Parlament: Die CDU attackierte Rot-Grün und distanzierte sich vom Koalitionspartner SPD. PDS und Grüne halten die Finanzpolitik des Se

Die gestrige Haushaltsdebatte im Parlament war bereits stark vom Vorwahlkampf geprägt. CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky ritt heftige Attacken gegen die mögliche Neuauflage eines rot- grünen Senats nach der Wahl im Herbst 1999. Landowsky griff tief in die Mottenkiste und erinnerte an die „historische Verblendung“ der rot-grünen Regierung unter Walter Momper, die 1990 die Bekenntnisformel des Abgeordnetenhauses zur Wiedervereinigung gestrichen hatte.

Der CDU-Fraktionschef mokierte sich über die teuren Anzüge des grünen Außenministers Joschka Fischer und lobte die Erfolge der Großen Koalition. Landowsky distanzierte sich allerdings vom Koalitionspartner SPD. „Wenn es nach der CDU gegangen wäre, dann wären im Haushalt einige Akzente anders gesetzt worden“, so Landowsky und zählte 15 Punkte auf, darunter mehr Studienplätze, mehr Personal für Haftanstalten und die Videoüberwachung für „gefährliche Plätze“. „Die 90er Jahre sind ein Jahrzehnt der beiden großen Volksparteien“, sagte Landowsky, was SPD-Fraktionschef Klaus Böger zu der Bemerkung veranlaßte: „Das klingt nach einer Abschiedsrede.“

CDU und SPD griffen die PDS ungewöhnlich scharf an. Landowsky und Böger empörten sich über die von einer PDS-Bundestagsabgeordneten vorgeschlagene Amnestie für DDR-Unrechtstaten. Dabei hatte sich PDS-Fraktionschef Harald Wolf zuvor deutlich und im Namen der gesamten PDS- Fraktion von dem umstrittenen Vorschlag distanziert. Wolf warnte vor der zunehmenden sozialen Spaltung in der Stadt, die eine Folge der verfehlten Politik der Großen Koalition sei. Der PDS- Fraktionschef erkannte zwar Teilerfolge bei der Haushaltskonsolidierung an, es blieben aber erhebliche Risiken. In einem Zeitungsinterview hatte SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing am Donnerstag eingeräumt, daß zwei zentrale Finanzvorhaben auf erhebliche Probleme stoßen: Beim geplanten Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe seien noch „sehr schwierige Fragen zu klären“. Auch der Liegenschaftsfonds, mit dem Zinsen und Schulden des Landes getilgt werden sollten, hängt noch völlig in der Schwebe. Wie Fugmann-Heesing einräumte, wird der Wert der Landesgrundstücke, die in den Fonds eingebracht werden, nicht die erwarteten 24 Milliarden Mark erreichen.

PDS und Grüne erklärten die Konsolidierungspolitik der Großen Koalition für gescheitert. Im nächsten Jahr beträgt das Haushaltsloch, das durch Kredite und Vermögensverkäufe gestopft werden muß, immerhin 7,5 Milliarden Mark. Während der CDU-Fraktionschef Landowsky wieder einmal mehr Geld aus Bonn forderte, hält SPD-Fraktionschef Böger eine neue Wirtschafts- und Technologiepolitik für geboten.

Böger, der sich für die SPD- Spitzenkandidatur bewirbt, nutzte seine Rede zur Kritik am zukünftigen Kontrahenten Eberhard Diepgen. Dieser fordere jetzt lautstark Geld aus Bonn, während er gegenüber der Regierung Kohl eine — wenn auch meist erfolglose — Geheimdiplomatie betrieben habe. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) seinerseits kritisierte die rot-grünen Steuerpläne der Bonner Regierung. Böger hob hervor, daß Berlin 160 Millionen Mark aus dem zwei Milliarden schweren Sofortprogramm der Bundesregierung erhält, mit dem Arbeitsplätze für Jugendliche geschaffen werden sollen.

Die Grünen forderte Böger zur Kooperation auf: „Opposition ist Regieren im Wartestand.“ Die grüne Fraktionschefin Michaele Schreyer befand hingegen: „Die Große Koalition ist am Ende.“ Ein politischer Neuanfang in Form einer rot-grünen Reformkoalition sei für Berlin längst überfällig. Dorothee Winden

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