: „Heute nacht habe ich ein Zeichen bekommen“
■ Trainer Kevin Keegan arbeitet seit 15 Monaten an der scheinbar aussichtslosen Mission, den drittklassigen FC Fulham in ein europäisches Topunternehmen zu verwandeln. Jetzt spürt er Aufwind
London (taz) – Den Fußballprofis des FC Fulham genügt es schon, vor ihre Wohnungstür zu schauen, dann wissen sie, daß sie in der großen Welt zu Hause sind. Letztens sei ihm Martine McCutcheon im Flur begegnet, ein Filmstar aus der britischen Seifenopfer „EastEnders“, erzählt Fulhams Mittelfeldspieler Steve Hayward; Wahnsinn, unter was für feschen Nachbarn er jetzt lebe, habe er sich da gedacht. Die Schauspielerin sei allerdings weniger beeindruckt gewesen, sagt Hayward – er und Angreifer Paul Peschisolido waren gerade unterwegs zu einer Verkleidungsparty, Peschisolido kostümiert als Popstar Prince, Hayward als 80er-Jahre-Musiker Adam Ant.
Ihr Trainer Kevin Keegan (47), der als Spieler des Hamburger SV 1978 und 1979 Europas Fußballer des Jahres wurde, liebt solche Anekdoten. Und er kann auch noch Hunderte mehr erzählen, die alle belegen, daß es bei dem in der dritten Liga gestrandeten West-Londoner Traditionsverein wieder aufwärts geht. Doch obwohl „die Spieler jetzt nicht mehr ihre Trainingsklamotten mit nach Hause nehmen und selber waschen müssen“, wie Keegan berichtet, sind in ihm Zweifel geblieben: Ist Fulham wirklich „ein schlafender Riese“, fragt die Londoner Tageszeitung Evening Standard, „oder doch nur ein dösender Pygmäe“?
Seit 15 Monaten versuchen Keegan und Mohammed al-Fayed, der Besitzer des Vereins, den englischen Pokalfinalisten von 1975 mit nie gesehenem Aufwand wiederzubeleben. Mit dem geplanten Durchmarsch des FC Fulham in die Premier League will al-Fayed, der geltungssüchtige Eigner des Londoner Kaufhauses Harrod's und des Pariser Hotel Ritz, endlich auch den persönlichen gesellschaftlichen Aufstieg schaffen. Allein an Ablösezahlungen für neue Spieler durfte Keegan bislang zwölf Millionen Pfund (33 Millionen Mark) ausgeben, weltrekordverdächtig für einen Drittligisten.
Dementsprechend hat man ein etwas überqualifiziert wirkendes Team, „28 meiner Spieler könnten eine Liga höher spielen“, glaubt Keegan. Souverän führt Fulham die Tabelle an – „aber im Zuschauerschnitt sind wir nur Fünfter der Liga“. Mehr als 12.000 sind es selten. Doch zum Pokalmatch gegen Erstligist FC Southampton, „da will ich ein volles Stadion sehen, 19.000“, hatte Keegan verlangt, „nur so kann ich den Glauben bewahren, daß das Potential des Klubs groß genug für unser Ziel ist. Wenn wieder nur 12.000 kommen, verschwende ich hier meine Zeit.“ Viele hatten das als Drohung verstanden. Keegan ist für seine Entscheidungen im Affekt bekannt. Schon seinen ersten Trainerjob bei Erstligist Newcastle warf er 1997 mit einem Mal hin.
Doch am Mittwoch abend erledigten sich die Spekulationen über Keegans vermeintliche Verdrossenheit von selbst. „Und, bist du nun zufrieden, Kev?“ schrie ihm ein Zuschauer zu, als die Besucherzahl im Stadion Craven Cottage verkündet wurde. „Bist du denn zufrieden?“ brüllte Keegan zurück. „Yo“, sagte der Zuschauer. „Yo“, sagte Keegan. 17.500 waren im Stadion, etliche blieben wegen des chaotischen Andrangs draußen. Für Keegan schien es eine geradezu religiöse Erfahrung zu sein, so redete er: „Du brauchst von Zeit zu Zeit Zeichen“, sagte er, „heute nacht habe ich sie bekommen: Der Verein ist bereit für eine größere Bühne.“
Auch sein Team, das den vermeintlich zwei Klassen besseren Gegner 1:0 besiegte. Vor allem athletisch war Fulham überlegen. Dirk Lehmann etwa, Keegans deutscher Stürmer, gewann nach seiner Einwechselung in der 46. Minute nahezu alle Zweikämpfe.
Einen Fünfjahrplan „wie Mao“, schreibt The Guardian, haben sich al-Fayed und Keegan bei Dienstantritt 1997 aufgestellt, im Sommer 2002 wollen sie erstklassig sein. „Im Moment sind wir nur ein kleiner Verein mit großen Ideen“, sagte Keegan. Und die Bedenken, ob das nette Fulham sich wirklich in einen Superklub verwandeln läßt, waren wieder da. „Wir haben Pläne, das Stadion auf 27.000 Plätze auszubauen. Aber wenn es mein Geld wäre – ich weiß nicht. Vielleicht reichen 22.000 Sitze.“ Tatsächlich scheinen Fulhams Wachstum sowieso natürliche Grenzen gesetzt: Wo die Südtribüne ausgebaut werden soll, steht ein Baum – und der bleibt, er steht unter Naturschutz. Ronald Reng
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen