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Freie Fahrt in den Streik

■ Die Metaller machen Ernst: Ab 1. März soll gestreikt werden, die Streikvorbereitungen laufen "volle Pulle". Dann, drohen die Arbeitgeber, platzt das erste Gespräch für ein Bündnis für Arbeit

Berlin (taz/dpa) – Als Uwe Hücks sich gestern mittag in seinen nagelneuen Spider-Porsche setzte, wußte er, was seine Kollegen von ihm erwarten: „Streik, volle Pulle.“ Diese Forderung überbrachte der Porsche-Betriebsratsvorsitzende gerne seinen Kollegen in der baden-württembergischen Tarifkommission. „Solange die Arbeitgeber uns nicht die magische Vier vor dem Komma geben, werden wir für einen Streik mobilisieren“, sagt Hücks. Er stimmte gestern nachmittag für eine Urabstimmung. Eine Schlichtung außerhalb des üblichen Verfahrens, wie es der Chef des Verbands der Metallindustrie Baden-Württemberg, Klaus Fritsche, vorgeschlagen hat, lehnt Hücks kategorisch ab.

Die Metaller machen Ernst. Ab dem 1. März wollen sie streiken. Parallel zu ihren Streikvorbereitungen offerieren sie den Arbeitgebern aber auch weiterhin reguläre Tarifgespräche. Die Doppeltaktik stört Betriebsrat Hücks nicht. Ein Arbeitskampf sei kein Schachspiel. „Tarifauseinandersetzungen laufen wie ein Boxkampf. Man zieht die Handschuhe über und versucht den Gegner k.o. zu schlagen.“

Die Arbeitgeber schlagen ebenfalls rauhe Töne an. Industriepräsident Hans-Olaf Henkel und DIHT-Chef Hans Peter Stihl wollen die erste Runde des Bündnisses für Arbeit am 25. Februar absagen, falls die Metaller streiken. In einem Rundfunkinterview sagte Henkel, Deutschland könne sich einen Streik nicht leisten. Der Vize-Chef der IG Metall, Peters, konterte und sprach von einer „reaktionären Clique von Verbandsfunktionären“, die das Bündnis kippen wollten.

Unterdessen gibt sich Bundeskanzler Schröder zuversichtlich. Der Tarifstreit werde das Klima beim Bündnis für Arbeit „nicht vergiften“. Er hofft auf eine Einigung im Tarifstreit ohne Streik. Zwar sitzt der betroffene Arbeitgeberverband Gesamtmetall nicht beim Bündis mit am Tisch. Er wird aber für die Konfrontation verantwortlich gemacht. Der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel sagte gestern, die Arbeitgeber wollten das Bündnis scheitern lasen und die Schuld dafür „der IG Metall anhängen“. Einen Tarifabschluß von vier Prozent hält Hickel wirtschaftlich für vernünftig.

Sollte das Bündnis wie geplant starten, wollen die Arbeitgeber darin auch die Lohnpolitk verhandelt wissen. Zwar mögen die Gewerkschaften dem offiziell nicht zustimmen, das gewerkschaftseigene Wirtschaftsinstitut WSI ist aber schon zu einer anderen Ansicht gekommen. Gewerkschaften, Arbeitgeber und Politiker sollten sich auf eine „im Kern produktivitätsorientierte Lohnpolitik“ verständigen, meint das WSI. Dies könnte bedeuten, daß man gemeinsam einen Leitkorridor für künftige Lohnzuwächse aushandelt. Annette Rogalla

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