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Wiesheu wieder auf der falschen Spur

■ Bayerns Wirtschaftsminister verglich die Bundesregierung mit dem NS-Regime. Sein Chef, Edmund Stoiber, sieht das aber nicht so eng

Berlin (taz) – „Mir liegt sehr daran, daß wir zum Thema Kernenergie auch in Zukunft eine sachliche Diskussion führen können“, schrieb Otto Wieshau gestern an Bundeskanzler Schröder. Aus dem Kreis sachlich Diskutierender hatte sich der bayerische Wirtschaftsminister einen Tag zuvor selbst entfernt. In einem Radio-Interview hatte der CSU-Mann die Bundesregierung mit dem NS-Regime verglichen.

Zum Thema Atomausstieg sagte Wiesheu, es sei überheblich zu meinen, man könne ein derartiges Problem endgültig lösen. Und weiter: „Es hat in diesem Jahrhundert einen gegeben, der Fragen endgültig lösen wollte; er war nach zwölf Jahren am Ende.“ Deutlicher muß man nicht werden.

Am Tag danach sollte alles nur eine falsche Interpretation gewesen sein. Der Vergleich zwischen Hitler-Regime und Bundesregierung war, so Wiesheu, „in keinster Weise meine Absicht“. Ministerpräsident Stoiber ließ aus Brüssel wissen, er stehe weiterhin zu seinem Minister. Die inkriminierte Äußerung sei zwar ein „verbaler Mißgriff“. Aber mehr als sich entschuldigen könne Wiesheu „persönlich nicht tun“. Andere sahen das anders.

„Entlassen!“ forderten die bayerischen Grünen von Stoiber. „Entlassen!“ forderte auch SPD- Fraktionschef Struck. Wiesheu selbst solle in psychiatrische Untersuchung, empfahl Ignatz Bubis. „Ich reihe das unter dem Begriff Dummheit ein“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Dummheit schützt vor Strafe nicht, heißt ein juristischer Grundsatz. In Verbindung mit einer CSU-Mitgliedschaft, so scheint es, ist sie aber unangreifbar. Konsequenzen für ihre Brachial-Argumente müssen CSUler selten fürchten. Auch Wiesheu hat schon ganz andere Skandale überstanden. 1983 rammte er mit seinem Mercedes 380 SE einen Kleinbus. Der Fahrer, ein Rentner, starb, der Beifahrer wurde schwer verletzt. Wiesheu verlor trotz 1,75 Promille Alkohol im Blut nur auf Bewährung seine Freiheit, für elf Monate. Seinen damaligen Posten als CSU- Generalsekretär mußte er zwar räumen, wurde aber Chef der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung – eine bequeme Warteschleife bis zu seiner Ernennung zum Wirtschafts- und Verkehrsminister zehn Jahre später.

„Einen Menschen im Suff totfahren und dann Minister werden – in Bayern kein Problem“, schrieb die taz damals über Otto Wiesheu. Heute müßte es heißen: „Den Atomausstieg mit dem Dritten Reich vergleichen und Minister bleiben – in Bayern überhaupt kein Problem.“ Till Ottlitz

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