: Mit der Nato kommen die Detektive
■ Das Internationale Tribunal für Kriegsverbrechen in Jugoslawien will im Kosovo möglichst rasch Beweise sichern
Berlin (taz) – Im Kosovo hat es nach einer Bilanz des US-Außenministeriums von Anfang Juni Massenerschießungen in mindestens 85 Ortschaften gegeben. Die durch Zeugenaussagen einigermaßen abgesicherte Zahl von ermordeten Zivilisten liege bei 5.000. Vergewaltigungen durch serbische Truppen seien weit verbreitet vorgekommen. 400 bis 500 Dörfer seien niedergebrannt worden.
Die für diese Taten Verantwortlichen soll das Haager Tribunal über Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien anklagen. Mit den ersten Soldaten der KFOR-Truppen sollen Ermittler und Gerichtsmediziner ins Kosovo einrücken, um Beweise für Kriegsverbrechen zu sichern und Zeugen zu befragen. Sieben Orte, aus denen über systematische Erschießungen berichtet wurde und die in der Anklageschrift gegen Miloevic erwähnt wurden, stehen ganz oben auf der Liste des Tribunals.
Dem Gericht ist von mehreren Staaten, darunter den USA, Großbritannien und Frankreich, technische und personelle Unterstützung zugesichert worden – Hilfe, die dringend benötigt wird: Experten für Ballistik und die Identifikation von Leichen sollen den bislang zwei Dutzend Ermittlern des Tribunals zur Seite stehen. Diese brauchen auch bewaffneten Schutz für sich und die Orte, an denen sie Beweise sichern sollen.
Flüchtlinge haben berichtet, daß serbische Truppen seit Anfang April Leichen aus Massengräbern ausgegraben und verbrannt oder in Einzelgräber umgebettet haben, um Beweise zu vernichten. Dies sei beispielsweise mit 50 Leichen in Glogovac sowie in Lipljan geschehen, wo am 18. April eine unbekannte Zahl von Männern ermordet worden war. Ihre Angehörigen seien gezwungen worden, die exhumierten Toten aus einem Lagerhaus abzuholen und in Einzelgräbern zu bestatten.
Das Pentagon veröffentlichte am Mittwoch neue Satellitenaufnahmen der Massengräber von Izbica, wo im April mehr als hundert Männer erschossen worden waren. Die 143 Gräber, die auf früheren Fotos zu sehen gewesen waren, sind mittlerweile eingeebnet worden. Pentagon-Sprecher Ken Bacon nannte die Aufnahmen einen „klaren Beweis“ für die Vertuschung von Kriegsverbrechen durch serbische Streitkräfte. sf
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