: Orgasmus mit Staubwedel
■ Weg von der moralischen Unruhe, hin zum American Blend: Unter dem vielsagenden Titel „Polywood“ präsentiert das Polnische Kulturinstitut Mainstreamfilme aus Polen
Null null sieben, drei mal die sechs, drei mal die neun. Ich bin Rysia. Ruf mich an! Eine üppige Blondine öffnet die Kordel ihres seidenen Lieblingspyjamas und läßt die Strapse schnipsen, bevor der beherzte Killer ihr mit dem Staubwedel einen Orgasmus zu verschaffen versucht. „Zwei Killer“ heißt diese Gangsterklamotte von Juliusz Machulski, ein Renner an den Kinokassen, der in Polen bereits 1,5 Millionen Zuschauer angelockt hat.
Do widzenia Andrzej Wajda, Krzysztof Kieslowski und Krzysztof Zanussi, jetzt kommt Polywood, das neue polnische Kino mit dem American Blend! Dabei galt er am Anfang schon als ziemlich tot, der polnische Film. Anfang der 90er Jahre, als die Wende kam, man in frisch renovierten Kinos saß, mit dem Popcorn raschelte und ganz nah bei Hollywood sein durfte. Irgendwann wurden dann plötzlich die zahlreichen Untertitel bemerkt, und man dachte sich: „Das können wir auch“.
Und so kehrte der polnische Film dem Kino der moralischen Unruhe den Rücken und verwandelte sich in ein Potpourri quer durch die Gefilde des internationalen Films. Mit einheimischer Starbesetzung natürlich.
Da ist zum Beispiel „Sara“, ein Film von Maciej Slesicki, in dem der vierzigjährige Leon als Bodyguard für die Tochter eines einflußreichen Geschäftsmannes engagiert wird. Eine Liebesgeschichte à la Luc Bessons „Leon, der Profi“: Leon ist der „harte“ Beschützer mit dem obligaten Dreitagebart und Sonnenbrille, Sara die unschuldige, stupsnasige sechzehnjährige Schülerin.
Beide verlieben sich ineinander, leider nicht nur platonisch wie im französischen Vorbild. Im Bugs-Bunny-Nachthemd und mit Herzchensöckchen bezirpt Sara-Lolita den durch das Schicksal gebeutelten, alkoholabhängigen Sentimentalisten und landet schließlich in seiner Badewanne, die dann auch noch bedeutungsschwer mit Dostojewskis „Schuld und Sühne“ beheizt wird.
Ein spannungsreiches Thema für das katholische Polen. Allerdings wird der tabuisierte Stoff so blumig verpackt, daß einem die ausströmenden Düfte den Kopf vernebeln. Der Film rückt zwar die Landschaften eines 16jährigen Mädchens genügend ins Bild, läßt aber tiefenpsychologische Sümpfe verdorren. Die Liebe steht eben über allem Vergänglichen: Statt Schwermut gibt's zum Schluß ein Happy-End. In Polen zählt diese Liebesgeschichte mit über 700.000 Zuschauern zu einem der beliebtesten Filme der 90er Jahre. Was einerseits an den brillanten Bildern und den Action-Szenen liegen mag, andererseits zweifellos an Boguslaw Linda, der den Leon spielt. Linda gebührt derzeit in Polen das Image des „Objektes der Begierde“, ein Seelenmacho, der die Herzen der schönen Polinnen höher schlagen läßt.
1952 geboren, verkörpert Linda freudianisch alles und jeden für jeden: den harten, entschiedenen Typen mit Sex-Appeal, den zu jeglicher Attacke bereiten Beschützer, den zärtlichen Liebhaber oder den sentimentalen Verlierer. Man sollte nicht fragen, in welchen Filmen Linda mitspielt, sondern besser, wo er nicht mitspielt. In den sieben Produktionen, die das Polnische Kulturinstitut ab heute abend zeigt, ist er allein viermal zu bewundern.
„Bigos“ heißt das polnische Nationalgericht, ein Sauerkrauttopf mit Fleisch, Wurst und Zwiebeln. Boguslaw Linda, der von der polnischen Jugend liebevoll „Bogus“ genannt wird, scheint ihm bald den Rang abgelaufen zu haben.
Katja Hübner
Von heute bis zum 18. 6, jeweils ab 20 Uhr im Polnischen Kulturinstitut, Karl-Liebknecht-Straße 7, Mitte
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