: Unter Kryptologen
■ Das WordSound-Label und Techno Animal beim Klangkrieg auf der Insel
Skiz Fernando aka Spectre und Sensational aka Torture werden ihr Ufo irgendwo im Treptower Park verstecken. Vielleicht lassen sie sich aber auch herbeibeamen, wer weiß das schon. Möglich ist bei diesen Typen alles. Skiz Fernando ist der Kopf des WordSound-Labels aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn, das die verschworene Gemeinschaft der WordSound-Posse gern auch Crooklyn nennt. Das Konzept des Labels ist ganz einfach: Wer total durchgeknallten Sound zwischen Dub, Hip Hop und Jungle produziert, bevorzugt Verschwörungstheoretiker, Kabbalist, Ufo-Forscher oder Ägyptologe ist und auf PCP und ähnliche Drogen steht, darf mitmachen.
Fernando selbst ist noch Autor für die amerikanische HipHop-Zeitung The Source, hat ein Standardwerk über HipHop verfaßt, macht als Scarab orientalischen Space-Dub, als Spectre dunklen Kellerloch-Dub und geht gelegentlich mit Bill Laswell einen trinken.
Sensational war mal bei den Jungle Brothers dabei und ist einer, der das Soll der Durchgeknalltheit gerne übererfüllt. Für seine erste Platte rappte er nicht in ein Mikro, sondern in einen Kopfhörer. Das Ergebnis klingt wie ein Vierspur-Promotape eines Aliens aus der vierten Galaxie, dessen Rap-Gemurmel total unverständlich ist. Daß das HipHop sein soll, kann man schon noch erkennen, doch wären Beats und Raps noch einen Schritt weiter dekonstruiert worden, wäre es bloß noch der reine Wahnsinn.
Als ob das noch nicht genügen würde mit den Illbient-Beats aus Crooklyn, die in die Magengrube fahren und das Gehirn zerbröseln, sind auch noch Techno Animal geladen. Für die muß man gleich nochmals ganz schön ausholen.
Sind Techno Animal doch das Duo Kevin Martin und Justin Broadrick. Letzterer griff vorzeiten für das englische Grindcore-Band Napalm Death in die Saiten und führte später die Industrial-Rock-Formation Godflesh. Und sein Freund Kevin Martin ist eine dieser Überfiguren, ein Maniac, ein Phänomen. Er war Anführer der brutalen Noise-Jazz-Combo God, Compiler solcher stilprägenden Compilations wie „Macro Dub Infection“, brachte auf seinem Label „Pathological“ nur Ohrenschmerzmusik heraus und macht mit seiner Combo Ice ausschließlich solche. Techno Animal bewegen sich mit ihrem Post-Industrial-Dub auf ähnlichem Terrain wie die geistesverwandten Kryptologen aus Crooklyn. Weniger spacig vielleicht, eher Bier statt psychedelischer Drogen, eher Dröhnen statt Brummen. Andreas Hartmann
Ab 22 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6
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