: Drei Desperados gegen den Bund
■ Die Ministerpräsidenten Stoiber, Koch und Teufel legen ein Papier zur Reform des Föderalismus in der Bundesrepublik vor
Bonn (taz) – In Bonn schien Friede zu herrschen. Der Bundeskanzler war gerade Richtung Ukraine aufgebrochen (seinen widerspenstigen Umweltminister im Gepäck). Der Außenminister bereiste das kaum weniger ferne Rumänien. Rot-Grün hatte die kleine Stadt am Rhein verlassen, da ritten die drei schwarzen Desperados ein. Edmund Stoiber aus Bayern, Roland Koch aus Hessen und Erwin Teufel aus Baden-Württemberg zählen gemeinhin zu den politischen Scharfmachern unter den Ministerpräsidenten von CDU/CSU. Nein, „das, was wir hier vorschlagen, ist gegen niemanden gerichtet“, verkündete Stoiber gleich zu Beginn der Pressekonferenz der drei Länderfürsten, und sein Kollege Koch ergänzte: „Ein sehr faires, offenes, undemagogisches Papier“ wolle man präsentieren.
Auf 48 Seiten haben die drei von der Union zusammengetragen, wie sie sich eine „Modernisierung des Föderalismus in Deutschland“ vorstellen. Politisch heikel ist dabei etwa die Forderung, das Versammlungsrecht der Gesetzgebungskompetenz der Länder zu unterstellen. Polizei- und Ordnungsrecht fielen bereits in ihre Zuständigkeit, zusammen mit dem Versammlungsrecht könne es ein Regelwerk „aus einem Guß“ werden, argumentierte Stoiber. Bedenken, damit könnten die unionsregierten Länder bei der Genehmigung von Demonstrationen restriktiver vorgehen, beantwortete Stoiber mit Hinweis auf den Sicherungsgewahrsam, der ebenfalls regional unterschiedlich praktiziert wird: „Dort, wo es ihn gibt, wird sicher etwas restriktiver mit Krawallmachern verfahren.“
Zentraler Kritikpunkt der Ministerpräsidenten ist eine Aushöhlung des Föderalismus. In den letzten Jahrzehnten habe eine „schleichende Lahmlegung der Landtage“ stattgefunden, während der Bund und die EU immer mehr Kompetenzen an sich gezogen hätten. Als Konsequenz habe sich eine „ausufernde Koordinationsbürokratie“ entwickelt, wodurch Entscheidungen und Zuständigkeiten für die Bürger undurchschaubar würden. Von einer Entflechtung des Wirrwarrs würden nach Ansicht der Politiker auch der Bund und die EU profitieren.
Die Lösung sehen die Ministerpräsidenten, wenig überraschend, in einer Stärkung ihres Einflußbereichs, der Bundesländer. Am ausgeprägtesten sei das „erdrückende Übergewicht“ des Bundes, so Teufel, im Bereich des Steuerrechts, das „heute ausnahmslos Bundesrecht“ sei. Die Länderchefs fordern statt dessen, die Steuerautonomie der Landtage zu stärken. Einen konkreten Reformvorschlag unterbreiteten sie in bezug auf die Grundsteuer, die Grunderwerbssteuer sowie die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Da die Einnahmen daraus allesamt den Ländern zugute kämen, „ist nicht einzusehen, weshalb sie in diesem Bereich nicht auch die Regelungskompetenz haben sollen“, sprich: die Sätze selbst festlegen können.
Koch, Teufel und Stoiber erneuerten ihre Kritik am Länderfinanzausgleich, gegen den sie auch vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Er habe sich „vom Prinzip 'Hilfe zur Selbsthilfe‘ zu einem Daueralimentationssystem entwickelt“. An der Solidarität mit den anderen, insbesondere dem Osten, wolle man freilich festhalten. Wie hatte Stoiber schon zu Beginn gesagt? „Das, was wir hier vorschlagen, ist gegen niemanden gerichtet.“ Patrik Schwarz
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