: Rechtsextreme hautnah
■ Greifenhain: Israelische Journalisten müssen sich die Holocaust-Lüge anhören
Berlin (taz) – Die Podiumsdiskussion „Brauner Alltag in Brandenburg?“ zwischen Jugendlichen und zehn geladenen Nachwuchsjournalisten aus Israel war noch mit einem Fragezeichen versehen. Doch was während und erst recht nach dem Treffen von linken und rechten Jugendlichen mit den Israelis in Greifenhain im Spree-Neiße-Kreis passierte, ließ keine Fragen mehr offen.
Die jungen Journalisten aus Tel Aviv, die sich auf Einladung der Vereinigung „journalists network“ zu einer Studienreise in Deutschland aufhalten, wollten in der Kirche des kleinen Ortes Senftenberg-Spremberg in der Nähe von Cottbus mit etwa 30 Jugendlichen über Gewalt und Fremdenfeindlichkeit diskutieren und erfahren, was an den Nachrichten über Rechtsradikalismus wahr ist.
Der örtliche Jugendpfarrer Christian Weber hatte die Diskussion organisiert. Es ging von Anfang an um die Angst, die die rechte Szene in der Region verbreitet. „Unsere Lehrer fahren die Schüler mit dem Auto nach Hause, weil vor der Schule Neonazis auf sie warten“, sagte Stefan aus Spremberg. In der Diskussion bekannten sich nur zwei Jugendliche zu rechtem Gedankengut.
Torsten, einer von ihnen, versuchte herunterzuspielen: „Da passiert höchstens mal wat, wenn Alkohol getrunken wurde.“ Die rechte Clique hege ihre nationalen Gedanken, und „das war's dann“. Die beiden Rechtsradikalen wehrten sich gegen das Bild, sie seien Schläger.
Noch ließ die Diskussion auf sich warten. Doch draußen vor der Tür saßen die Kumpels von Torsten mit auffällig kahlen Köpfen. Diejenigen, die nicht in die Kirche gekommen waren, fragte Shira Ansky: „Welche Themen sind euch wichtig?“
Die „Situation im Osten“ brachte sie zur eigentlichen Meinung der Jugendlichen. Stefan griff zu einer Broschüre und sprach von „nur 80.000 toten Juden, die an Hunger und Seuchen gestorben“ seien. Immer wieder leugneten die Jugendlichen die Greuel des Holocaust.
Die Israelis hakten nach, berichteten von den Schicksalen ihrer Familien und waren bestürzt: „Wir sind schon ohne Illusion hergekommen, und jetzt wissen wir, daß es solche Menschen mit ihren Gedanken immer noch gibt.“
Dann tönte aus den Autoradios das Horst-Wessel-Lied und eine Hitlerrede wurde abgespielt.
Die Staatsanwaltschaft Cottbus hat die Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aufgenommen und plant, das Auto der Rechtsradikalen zu beschlagnahmen. „Wir ermitteln noch gegen Unbekannt, da wir bislang nur die Vornamen der Jugendlichen wissen“, gab die Staatsanwaltschaft bekannt. Der Kreisjugendpfarrer werde noch befragt. Andreas Finke
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