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Realistisch ins 21. Jahrhundert

Die Berlin-Studie steht vor dem Abschluß: Ihre Empfehlungen für ein zukunftsfähiges Berlin räumen auf vielen Feldern mit liebgewonnenen Mythen auf  ■   Von Ralph Bollmann

Anspruch und Wirklichkeit: Da schwafeln Berliner Politiker von einer internationalen Metropole, und die meisten Busfahrer sprechen kein Wort Englisch. Da palavern die Entscheidungsträger von einer goldenen Zukunft als Hauptstadt der Dienstleistungen, und die Verkäuferinnen verhalten sich den Kunden gegenüber so spröde wie die Schrippen, die sie über die Theke reichen. Diese Diskrepanzen haben die Autoren der Berlin-Studie „Zivile Wege in das 21. Jahrhundert“ erkannt, die von der Europäischen Union, dem Senat und weiteren Sponsoren mit einer halben Million Mark finanziert wird. In einem „Strategieworkshop“ am Wochenende wollen die Experten die Ergebnisse diskutieren. Nach einer ersten Phase der Bestandsaufnahme haben die Wissenschaftler nun einen Maßnahmenkatalog vorgestellt, der realistische Handlungsvorgaben an die Stelle jener abgehobenen Visionen setzt, die der Stadt in den Neunziger Jahren mehr geschadet als genutzt haben.

Beispiel Arbeitsmarktpolitik: Die Stadt, die sich gerne als Wissensmetropole präsentiert, leidet nach Auffassung der Autoren an einem „besonders ausgeprägten Defizit an Qualifikationen“. Vor allem im Westteil der Stadt verfüge „ein überdurchschnittlich großer Anteil der erwachsenen Beschäftigten und Arbeitslosen über keine formale Ausbildung“. Der Vorschlag der Studie: Land, Tarifpartner und Arbeitsämter sollen die Weiterbildung fördern.

Beispiel Wohnungsbaupolitik: Das Senatskonzept zur Eigentumsförderung betrachten die Wissenschaftler als verfehlt. Berlin werde „auf Dauer für breite Bevölkerungsschichten eine Mieterstadt bleiben“. Das sei „kein Makel, sondern ein zentraler Standortvorteil der Metropole“. Es sei zudem „sozialpolitisch fragwürdig“, einerseits die städtischen Wohnungsbaugesellschaften bei derzeit flauer Marktlage zu verkaufen, andererseits aber Eigenheimbau zu fördern. Kaum freundlicher geht die Studie mit dem geplanten Liegenschaftsfonds um. Dessen „Ursprung als Instrument der Haushaltssanierung“ könne „zu planerischen Fehlentscheidungen führen“.

Beispiel Wirtschaftspolitik: Statt immer nur von Innovationen zu reden, soll die Stadt – in Kooperation mit Banken, Unternehmensberatern und der Industrie- und Handelskammer – innovative Unternehmen tatsächlich fördern. Und zwar in der kritische Phase der beschäftigungswirksamen Expansion, als etwa drei bis acht Jahre nach der Gründung.

Schließlich die Wissenschaftspolitik: Um Berlin als „Stadt des Wissens“ zu profilieren, reicht nach Ansicht der Gutachter der Aufbau des Technologieparks in Adlershof, wo es zudem „an einem professionellen Innovations- und Kooperationsmanagement“ fehle, nicht aus. Statt dessen sei ein „strategisches Wissensmanagement“ nötig. Der Zukunftsfonds, aus einem Teil der Verkaufserlöse für die Wasserbetriebe gespeist, dürfe nicht als „weiteres Förderprogramm“ mißverstanden werden. Außerdem müsse die Zahl der Studienplätze von geplanten 80.000 wieder auf 150.000 erhöht werden – allerdings verbunden mit einer effektiveren Organisation der Hochschulen. Auch in der Kultur, einem weiteren Kompetenzbereich, empfehlen die Experten neue Förderstrukturen.

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