: Herbst der Titanen
■ Rupert Murdoch verkündet plötzlich seinen Nachfolger und setzt damit Signale
Vor zwei Jahren tat Rupert Murdoch einen bemerkenswerten Ausspruch: Seine Nachfolge beim Murdoch-Konzern News Corporation hänge davon ab, „wie lange ich noch alle Sinne beieinander habe“. Böse Zungen behaupten, dieser Fall sei nun eingetreten. Zumindest die privaten Entscheidungen des mächtigsten Medienmoguls der Welt seien zuletzt immer erratischer geworden. Erst die abrupte Scheidung von seiner zweiten Ehefrau Anna, dann Hals über Kopf die Ehe mit einer 37 Jahre jüngeren Frau. Und nun die Brüskierung seiner eigenen Kinder.
Was die künftige Firmenführung betrifft, erklärte der 68jährige seine Sprößlinge kurzerhand für noch zu unreif. Sie seien gut, aber müßten noch lernen. Peter Chernin soll News Corp. führen, wenn er selbst mal kürzer treten wolle, sagte Murdoch in dieser Woche zu Newsweek. Einen Zeitpunkt für den Wechsel nannte er noch nicht.
Wenn es soweit ist, steht mit dem 48jährigen Chernin ein erfahrener Topmanager bereit. Seit 1989 gehört er zur Führungsriege des weitverzweigten Imperiums aus Fernsehketten, Filmstudios, Zeitungen und Verlagen. Zuletzt leitete er die Fox-Gruppe in den USA, und er kümmert sich auch um Murdochs neuen deutschen Besitz, den Sender TM3. Nachdem er jüngst in München war, ließ er an dessen TV-Managern kein gutes Haar: „Ich glaube nicht, daß einer von ihnen die agressive Unternehmenskultur von News Corp. begreift“, sagte er.
Die Kinder des Konzernherren dürften trotz der beschwichtigenden Worte ihres Vaters stinksauer sein. Tochter Elisabeth, 31, Programmchefin des britischen Pay-TV-Monopols BSkyB, allen voran aber ihr 28jähriger Bruder Lachlan, der die australischen Besitztümer führt – sie beide hatten sich Chancen auf den „besten Job der Welt“ ausgerechnet. Zuletzt verkündeten Zeitungen immer wieder, sein Vater habe längst zu Lachlans Gunsten entschieden.
Nun kursieren wilde Spekulationen. Hat die böse Stiefmutter ihren Ehemann beeinflußt, den Nachwuchs erst einmal zu übergehen? Wendy Deng, 31 Jahre alt und bis zur Hochzeit Vizepräsidentin von Murdochs asiatischem Star TV, gilt als enorm ambitiös. Sie selbst sei scharf auf den Spitzenjob, munkelt man bei News Corp., seit die Liaison ruchbar wurde. Liebe könnte selbst einen Murdoch schwach machen: Der fliegende Holländer der Informationsrevolution, dessen rastloser Aktivitätsdrang fast manisch wirkte, nahm sich Zeit für einen ausgedehnten Honeymoon auf einer Luxusjacht im Mittelmeer.
Möglicherweise gibt es auch eine profanere Erklärung: Der 68jährige ist schlank und fit, raucht nicht, trinkt nur mäßig und treibt Sport. Aber das hektische Leben eines globalen Tycoons hat seinen Tribut gefordert. Die Falten um seinen Mund sind schärfer geworden, die Stirn ist tief zerfurcht – Spuren ewigen Wettkampfs, die Konkurrenz anzuhängen. Vielleicht hat Murdoch an seinen Vater, einen australischen Zeitungsverleger gedacht, der mit 67 starb, und sich entschlossen, doch nicht in den Stiefeln zu sterben, sondern mit neuer Ehefrau noch ein paar Jahre lang das Leben zu genießen.
Peter Chernin bietet sich als designierter Nachfolger an. Er war in den letzten Jahren bereits Murdochs rechte Hand. Chernins Bilanz bei Fox ist ansehnlich. Deren Studios produzierten einen Hit nach dem anderen, von „Titanic“ (Einnahmen bislang über 1,8 Milliarden Dollar) und „Independence Day“ bis hin zu TV-Schlagern wie „Akte X“, „Ally McBeal“ und den „Simpsons“.
Zudem macht Murdochs langsamer Rückzug auch unternehmenspolitisch Sinn. Vielleicht läuft die Zeit ab für die großen Medientycoons, die wie Fürsten regieren. Auch Murdochs zeitweiser Partner Leo Kirch müht sich, ein solides Unternehmen aus seinem Geflecht zu machen. In den letzten Jahren wirkte es, als ob Murdochs übergroße Figur, von Medien und Politikern oft gleichermaßen dämonisiert, die Pläne seines Konzerns nicht gerade begünstigte. In manch europäischem Land schrieen Politiker und Konkurrenten stets auf, wenn Murdoch sich einzukaufen versuchte, etwa in Italien oder Frankreich. Eine „normale“, weniger schillernde Figur an der Spitze von News Corp könnte strategisch nützen.
Bezeichnend ist es, wie die Finanzmärkte reagierten. An den Börsen schoß der Kurs von News Corp. nach oben. „Murdoch hat weise gehandelt“, sagt ein Medienanalyst in der Londoner City. „Er hat einen Konflikt seiner Erben vermieden, einen kompetenten Nachfolger bestellt und signalisiert, daß er sich von der Frontlinie zurückzuziehen gedenkt.“ Die Nachkommen sollten sich nicht zu sehr grämen. Irgendwann wird einer von ihnen wohl dennoch an die Spitze des globalen Medienreiches rücken. Es sei denn, Wendymacht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Jürgen Krönig
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