Zwischen den Rillen: Rock ist Blutwurst
■ Amerikas most wanted: Neue Alben von Limp Bizkit und der Bloodhound Gang
Zu den Lieblingsformeln gestandener Rockisten gehörte es fast die gesamten Neunziger über, dass Rock eigentlich tot sei. Da war natürlich eine Menge Koketterie mit im Spiel, gute wie schlechte Rockbands gab es schließlich immer. Doch länger als ein oder zwei Sommer wollte kein neues und aufregendes Rockmodell bei Laune halten. Wenn es bis zum Erbrechen von tausenden Bands kopiert wurde, sehnte sich irgendwann selbst der hartnäckigste Fan nach elektronischer Abwechslung.
Während auf diese Weise hier zu Lande vor allem Spielarten wie Grunge, Alternative Rock und Indierock durchgewunken und zu Grabe getragen wurden, wollte man jedoch in den Staaten solche Totenscheine nie recht unterschreiben.
Dort feierte man in Europa verpönte Bands wie Stone Temple Pilots, Matchbox 20 oder Filter, dort feierte Punk mit Bands wie Offspring oder Green Day fröhlich-folgenlose Wiederauferstehung, und dort signalisiert man auch in diesen Tagen: Rock lebt mehr denn je, und er schert sich nicht um Altlasten wie Grunge und Alternative Rock. Statt Selbstzweifel und schwermütiger Ego-Trips demonstrieren die neuen Rocker jetzt Spaß, Härte und Vorwärtsdrang, mixen und covern, was die Rockgeschichte hergibt, tun sich mit Metallern und HipHoppern zusammen, posieren mit Pornostars und lassen haufenweise schlechten Geschmack regieren, interpretiert in der Regel als Backlash auf allzuviel politische Korrektheit.
Von Limp Bizkit, nomen est omen, nahm man so auch das erste Mal Notiz, als die sich des George-Michael-Hits „Faith“ bemächtigten. Den performte Sänger Fred Durst live auf der Bühne, in dem er aus einer vierzig Fuß hohen Toilette hinabstieg, um dann den Sex-Protz zu markieren. Das mochten manche Dekonstruktion nennen, andere wieder dümmlich und gar homophob, hatte aber den Effekt, dass sich das Limp-Bizkit-Debüt, obwohl es musikalisch eher ein müder Abklatsch von Bands wie Rage Against Machine oder den Chili Peppers war, immerhin anderthalb Million Mal in den Staaten verkaufte. Im Gefolge ihrer Entdecker, der Metalrocker von Korn, ging es dann auf Ochsentour durch die Staaten und schließlich auch zum zweiten Woodstock-Revival, wo es während ihres Auftritts zum Mini-Riot kam.
So was spricht sich rum, so was schafft richtigen Ruhm und zweifelhafte Ehre, doch „Significant Other“, das zweite Album von Limp Bizkit, hat überraschenderweise ein bisschen mehr zu bieten. Das rockt, das knallt, das ist fett, wie wir HipHopper sagen, da dürften selbst die eingefleischtesten Feinde von Crossover-Sounds schwach werden. „You wanted the worst, you get the worst, the one, the only, Limp Bizkit“, heißt es im Intro, um dann solcherart Koketterien, Geschmacklosigkeiten und virile Kraftmeiereien in Sounds und Songs zu betten, die von recht geschmeidigen Hooks und Melodiebögen regiert werden.
Für den guten Rest sorgt eine ansehnliche Gästeliste, die von Scott Weiland über Korns Jonathan Davis bis zu den HipHoppern Eminen und Method Man reicht. Letzterer rappt zusammen mit Limp-Bizkits-Sänger Fred Durst in „N 2 together“, einem der besten Stücke des Albums, das kein Geringerer als Gangs Starrs DJ Premier produziert hat. „It ain't easy being greezy in a world full cleanliness“, heißt es hier nicht unprogrammatisch, ein Sprüchlein, das den Ton der Kids in den langweilig-sauberen Suburbs genauso trifft wie den von Amerikas Rockwelt.
Sicher keine solche Gästeliste für zukünftige Alben dürfte die Band mit dem sinnig-stimmigen Namen Bloodhound Gang bekommen, eine Band, die mit ihren Sounds, Styles und Lyrics so wirkt, als hätte sie sich Beavis, Butthead und die South-Park-Kids auf ihrem Sofa ausgedacht. Ihr Leadsänger und Chefideologe Jimmy Pop (!) bekannte schon 1996 in dem Hit „Fire Water Burn“: „Hello, my name is Jimmy Pop and I'm a dumb white guy“, um dann genau das in fast jedem Song des Albums „One Fierce Beer Coaster“ zu demonstrieren. Da bekam von Kurt Cobain über Def Leppard bis zu Frank Black oder Mike Tyson jeder halbwegs Prominente sein Fett weg, da wurden in einem Song wie „Shut Up“ homophobe, rassistische, sexistische Hasstiraden am Fließband gedroppt: „I hate a lot of whites and a lot of blacks, I hate poopin' in public places but we all hate this, I hate lesbian feminists cause they're all so damn ugly, I hate Spin Magazine, cause they never plug me, I hate every movie by that midget Spike Lee“ etc. etc.
Mit ihrem neuen Album „Hooray For Boobies“, dessen Veröffentlichung wahrscheinlich wegen solcher Lyrics mehrmals verschoben wurde, macht die Bloodhound Gang dort weiter: Musikalisch dominiert von einer Art Bubblegum-HipHop-Punkrock, der in Form des ausgekoppelten Gassenhauers „Along Comes Mary“ gerade auf MTV dauerrotiert, enthält das Album Schweinereien vom Ficken, Bumsen, Blasen, Selbstanklagen wie „I'm stupid“ und Geschichten von Truck fahrenden Kinderfickern und anderen Perversen. Jimmy Pop kennt da keine Grenzen, umso unappetitlicher, umso besser, und er inszeniert sich und seine Band als die größten und gröbsten Dumpfbacken vor dem Herrn.
Da kann man schon mal seinen Spaß dran haben, und diese Art Schweinerock mag auch in kleinen Clubs wie dem Berliner SO 36 funktionieren. Doch wenn zunehmend mehr Stiernacken auf ihren Konzerten auftauchen und sich die Bloodhound-Gang-Lyrics eins zu eins einverleiben, hört möglicherweise selbst für Pop der Spaß auf. Solange dem aber nicht so ist, dürfte die Songzeile der leider schon wieder verblichenen New Radicals stellvertretend die amerikanischen Rocker dieser Tage antreiben und den Grund für ihr inkorrektes Treiben geben: „So cynical, so hip, so full of shit, they told us to shut the fuck up and write another hit“. Gerrit Bartels
Limp Bizkit: „Signification Other“ (Interscope/Motor) The Bloodhound Gang: „Hooray For Boobies“ (Universal/Motor Music)
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