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■ Faz-Mag: Justitia non olet

(102) Seitdem Oliver beschlossen hatte, ein furchtbarer Jurist zu werden, war er von einer Mission durchdrungen: Strafen und Verbieten! Es mußte etwas mit seiner Kindheit zu tun haben und mit der Jugend, die er als JU-Mitglied nie hatte. Dafür galt es, sich zu rächen, und wer konnte das besser als ein Jurist? So hatte er sich auf seine alten Tage nochmals zum Prüfling gemacht – in Sekundärtugenden war er immer gut gewesen. Jetzt endlich war das Ziel nah: Anklagen dürfen! Herrlich! Immer schön schneidend und auftrumpfend, die gute alte Justizfilm-Schule. Da konnte er jene Prosa zwischen Stilblüte und Genickschuss, die er als Journalist pflegte, live ausprobieren. Der Fall des 11-jährigen Raoul Wüthrich bot eine günstige Gelegenheit. „Sexualisierter Übergriff!“, kreischte Oliver, und für alle, die ihm einen Vogel zeigten, hatte er schweres Geschütz dabei: „Antiamerikanismus!“ Dafür gab es beim autonomen AStA-Referat hundert Schleimpunkte, und von diesem Publikum lebte er schließlich noch.

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