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Stölzl ist überall, auch in den Fontänen

■ Ist ein Kurzfilmfestival geheimer Brainpool der Expo 2000 in Hannover? Und was wären frei schwebende Germanistinnen und Künstlerinnen ohne die Megalopolenkultur?

Von Hannover aus bauten nicht nur die Orlowski und der Flebbe ihr deutsches Porno- bzw. Kino-Imperium auf, mit der Expo 2000 bekommt auch die eher experimentelle Filmproduktion dort einen Schub. Seit zehn Jahren gibt es bereits ein internationales Kurzfilmfestival: das aus dem Schüler-Filmwettbewerb hervorgegangene „Up & Coming“ – in den Räumen der „Kestner-Gesellschaft“: ein geschmackvoll umgebautes Hallenbad. Heuer fand es vom 3. bis zum 7. November statt. Es ist noch immer ein Festival junger Filmemacher, mit regem Schülerbesuch. Dazu läuft dort auch noch die Filmreihe „Wunden und Visionen der Megalopolen“, die von jeweils vier Kuratoren aus wechselnden Großstädten bestückt wird. Im vergangenen Jahr gehörte Teheran dazu – und eine 8-jährige Regisseurin aus dem Iran gewann dann auch mit ihrem (ganz wunderbaren) Kurzfilm einen Preis. In diesem Jahr gewann die gut erzogene Münchner Jungpunkergruppe „Punxnotdead“ bereits ihren dritten Festivalpreis (sic). Ausgezeichnet wurde auch der finnische Film „We came from Underground“ – über eine kubanische Heavy-Metal-Band (sic, sic). Die Regisseurin Anja Ahola heiratet darin irgendwann den Guitarristen: aber nur wegen des kostenlosen fünftägigen Hotelaufenthalts, der allen Neuvermählten auf Kuba zusteht.

Der Hang zu den neuen Medien äußerte sich bei den Besuchern in andauernden Handy-Gesprächen, bei den Organisatoren und Mitarbeitern in ununterbrochener Kamerabegleitung, inklusive „Live-Talkshows“ mit Regisseuren und Zuschauern: Da übt sich die zukünftige Avantgarde der „Kommunikation“ in Geduld. Einer der Moderatoren war Alan Bangs, der seine Arbeit wie immer sehr ernst nahm und sich alle Filme mehrmals anschaute. Der frühere BFBS-Disjockey, der uns seinerzeit als angeturnter Kulturoffizier der Tommies mit Rock- und Popmusik umerzog, sitzt nun auch im Kulturbeirat der kerndeutschen Expo 2000. Das Filmfestival besaß natürlich etliche Internet-Terminals. Dort konnte man bereits einen Teil des Expo-Kulturprogramms abrufen. Die vielen treudoofen Blasmusikkapellen und Volksliedchöre wirken jedoch noch reichlich unglaubwürdig auf dem hippen Techno-Layout der Expo-Pages. In vielen Hannoveraner Cafés und Hotels liegt das eher biedere Expo-Magazin aus. Darin lese ich, dass Christoph Stölzl für die Expo-Kultur verantwortlich ist. „Der hat doch überall seine Finger drin!“, erklärt mir die jugoslawische Putzfrau im „Interconti“. „Was Peter Weibel für die neuen, ist Stölzl für die nationalen Spektakelmedien“, präzisiert der Etagenkellner.

Während das bürgerliche Feuilleton erst einmal seine Expo-Kritik verschossen hat, fängt die Linke gerade an, sich – in Hannover – Expo-kritisch zu sammeln. Die Grenze zwischen linken Miesmachern und Mitmachern ist noch fließend. „Die Expo-Organisation hat den Markt der arbeitslosen Germanistinnen und frei schwebenden Künstlerinnen geradezu abgesaugt“, meint eine Hamburger Sinologin. Für den Katalog zu den Themenparks ist das Frauenteam „Computerkultur“ – am Checkpoint Charly in Berlin – zuständig. Noch nicht im Internet stehen die Expo-Programmpunkte der „Frauenuni“, wozu auch ein Filmprojekt gehört. Es wurde gerade von der niedersächsischen Filmförderung genehmigt. Die Idee dafür stammt vom (Berliner) Kunstbeirat der westdeutschen Frauenuni: Eine Regisseurin gibt mehreren Regisseurinnen in anderen Ländern eine Vorgabe – sagen wir „Der Schoß ist keine Einbahnstraße“, und die machen daraus Filme. Anschließend entsteht hier aus allen zusammen ein weiterer Film. Und der wird dann von jedem kritisiert.

Das Festival „Up & Coming“ hatte sich ebenfalls bei der Expo beworben – bis heute steckt es dort jedoch in der „Warteschleife: Haben Sie Geduld!“ Inzwischen ist aber seine fortlaufende Finanzierung auch so gesichert. Außerdem wurde jetzt schon mal die „Megalopolen“-Idee von der Expo aufgegriffen, dergestalt, dass verschiedene Filmemacher – z. B. in Manila, Jakarta, Bangkok, Moskau und, natürlich, New York – „ihre“ Stadt filmen sollen. Die Beiträge werden dann auf der Messe in „Städte-Containern“ gezeigt, während die Filmemacher gleichzeitig Hannover filmisch zu Leibe rücken. „Das wird lustig“, meinte schon jetzt Riyad Wadia aus Bombay, „man kann mit der Kamera eine komplette Community in Schach halten, mal sehen, ob und wie das bei den ganzen Hannoveraner Fußgängerzonen und Straßenskulpturen funktioniert?!“ Auch die für den Frauenuni-Film eventuell in Frage kommenden weiblichen Filmregisseure freuen sich bereits auf ihre Einladung nach Hannover im Jahre des Herrn 2000, wo „Europas höchste Fontäne“ (in den Herrenhäuser Gärten) auf sie wartet. Helmut Höge

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