: Querspalte
■ Persönliche Erklärung
Ich schäme mich! Ich schäme mich! Ich schäme mich! Neulich war ich im Urlaub und kam deshalb erst vorgestern in den zweifelhaften „Genuss“ der Samstagsausgabe dieser Zeitung, für die ich zehn Jahre meines Lebens geopfert habe. Völlig umsonst! Welch ein Schock! Bunte Titten-Busen überall! Niedrigste Instinkte ohne BH! Ein nackter Mann auf dem Lottersofa! Der Mensch reduziert auf seine niedrigsten Instinkte, die zu bekämpfen unsere taz einmal gegründet worden war.
Ich melde hiermit meinen Protest an! Dafür bin ich im Herbst 89 nicht auf die Straße gegangen! Da hätte ich auch gleich beim Spiegel bleiben können! Nackte Titten sind die Speerspitze der Verdummung! Mit Titten lässt der Kapitalismus die Menschen ihre Erniedrigung bejahen! Titten reduzieren die Frau zum Busen! Vielleicht sogar zum Atombusen! Auch der Mann ist dumm dran! Hektoliter Sperma werden sinnlos auf unsere taz verspritzt worden sein! Das ist unwürdig! Sperma muss sinnvoll fließen!
In der so genannten „Tittentaz“ gab es insgesamt übrigens genau zwei großformatige Brüste einer nett lächelnden blonden Frau mit viel Holz vor der Hütten auf der Titelseite. In der Mittwochsausgabe gab es zwei Paar Busen mehr. Die waren allerdings kunstvoll schwarzweiß abgelichtet und kleiner. Die Mittwochsbusen waren kulturvoll und politisch unbedenklich, weil sie dem zeitgenössischen Busenparadigma der westlichen Industriestaaten entsprachen und vor allem im Dienste des Welt-Aids-Tages standen. So konnte der niedrige Busen auch mal einem höheren Zweck dienen. Dafür brauchte man/frau sich dann nicht mehr zu schämen. Detlef Kuhlbrodt
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