Die Hand, die segnet, wird als Erste gebissen“

■ Helmut Kohl steht im Verdacht, belastende Aussagen des Wirtschaftsprüfers Weyrauch unterschlagen zu haben. Der CDU-Ehrenvorsitzende weist alle Anschuldigungen von sich

Berlin (taz) – Noch wissen wir es nicht, aber wir ahnen immer deutlicher, was es mit der „geistig-moralischen Wende“ des Einheitskanzlers Helmut Kohl auf sich hatte. Stimmen die Verdächtigungen und Vermutungen hat der Kanzler der Einheit mit viel „Bimbes“ seine Macht und Position erkauft, wenn sie zu schwinden drohte. Mittlerweile glaubt in der CDU kaum noch einer, dass das „System Kohl“ nicht auch eine bedeutende finanzielle Dimension hatte. Selbst die Basis kratzt am Heiligtum. „Die Leute fangen an, sich zu fragen, wofür sie treu und brav ihre Beiträge gezahlt haben“, stellte ein Bundestagsabgeordneter am Wochenende fest.

Doch „Pate“ Kohl (Spiegel) selbst scheint sich bis heute keiner Schuld bewusst. Auch wenn die Affäre immer weitere Kreise zieht. Selbstherrlich erklärte er am Freitagabend in der MDR-Talkshow „River Boat“: „Politischen Gegenwind gab es in meinem Leben immer. Die Anschuldigungen werden in sich zusammenfallen.“ Bei der Frage, ob er von seinen parteiinternen Kritikern enttäuscht sei, setzte er noch eins drauf: „Die Hand, die segnet, wird als Erste gebissen“, verkündete der großer Wohltäter. Doch wandeln sich die Segnungen des Helmut Kohl für die CDU mittlerweile in einen ausgemachten Fluch. Kohl tut unglaublich wenig, um die Partei, die er 25 Jahre lange geführt hat, vor noch größerem Schaden zu bewahren. Auch ein Jahr nach seinem Rücktritt von allen Parteiämtern beherrscht sein langer Arm die Christdemokraten – und blockiert die Arbeit der Nachfolger. Hat er gar einen seiner engsten Vertrauten, den Verwaltungschef des Adenauer-Hauses, Hans Terlinden, dazu angestiftet, wichtiges Material nicht an den Parteivorsitzenden, sondern an ihn weiterzugeben? Auch wenn das nicht der Fall war, so nutzt er doch die Strukturen, die er während seiner Alleinherrschaft aufgebaut hat, weiterhin skrupellos aus. Sollte es stimmen, dass er schon bei seiner öffentlichen Erklärung am Dienstag die wichtigen Unterlagen kannte, die mehr Klarheit in die Affäre bringen, wäre das eine grobe Täuschung und Instrumentalisierung der heutigen Parteiführung. Wolfgang Schäuble und Angela Merkel saßen loyal neben Kohl, als dieser öffentlich die Existenz der schwarzen Konten eingestand. Kohl dagegen behindert – wenn es denn so war – trotz öffentlichen Lippenbekenntnisses die Aufklärung der Angelegenheit. Warum aber, so muss man sich fragen, hält er ein Papier zurück, das Licht in die Affäre bringen könnte? Doch wohl nur zu seinem eigenen Vorteil – ohne jede Rücksicht auf die Partei.

Karin Nink/Isabelle Siemes