: berliner szenen Empfang für die Kultur
Zombies im Zentrum
Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt, hatte Kulturschaffende zum Empfang geladen, und wer trotz „Kyrill“ gekommen war, stand mit nassen Beinkleidern im Foyer des Elisabeth-Lüders-Hauses. Auf der Bühne musizierte das Weimarer Bläserquintett etwas von Mozart, Anton Reicha und Hindemith. Das klang sehr schön, wurde dann etwas lang, aber man saß gut auf den weichen Kissen und sah auf die sturmdurchfurchte Spree oder Regierungsgebäude gegenüber, wo ab und zu ein Licht anging und eine einsame Reinigungskraft staubsaugte. Die Musiker, allesamt junge strebsame Menschen, die ihren Eltern bestimmt Freude machen, strahlten mehr Systembestätigung aus als alle Kulturschaffenden, die Vizepräsidentin und ihre Mitarbeiterinnen zusammen.
„Hören-Sehen-Reden“ war das Motto des Empfangs, glücklicherweise kam aber auch „Essen und Trinken“ dazu. So bestaunte man die höhere Cateringkunst, von der Kulturschaffende im Popmusikbereich auf Tourneereisen nur träumen können, und kam ins heitere Gespräch mit Kulturwissenschaftsstudenten aus Frankfurt (Oder), die sich vor allem durch ihre gastronomische Erfahrung unentbehrlich machten, fürsorglich Getränkelager anlegten und so bewiesen, das nicht alles schlecht an der Jugend von heute ist. Das große Gespräch über Kunst als Lebensmittel und ihre Rolle in Gesellschaft und Politik fand zwar nicht statt, aber als alle gemeinsam durch Katakomben und Parkhäuser hinüber zum Reichstag geführt wurden, erinnerte die Szenerie an schöne aktuelle Zombiefilme. Und als die temporäre, nomadisierende, illegale Kuppelbar eröffnete, fühlte man sich fast zu wohl hier, im Zentrum der Macht. CHRISTIANE RÖSINGER
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