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Weltsozialforum in Kenia eröffnet

Zehntausende marschieren zum Auftakt des mehrtägigen Treffens durch Elendsviertel in Nairobi. Sambias Expräsident: Zivilgesellschaft muss sich gegen Ausbeutung wehren

NAIROBI taz ■ Den bislang berühmtesten Redner des Weltsozialforums in Nairobi sahen am Sonntag gerade einmal 200 Menschen, die sich in einer riesigen Sporthalle verloren. „Wir müssen gemeinsam eine Welt schaffen, in der jeder sein volles Potenzial entfalten kann“, forderte Südafrikas Expräsident Nelson Mandela in einer extra für den sechsten Gipfel der Globalisierungskritiker aufgezeichneten Videobotschaft. Mandela pries die Diversität der Bewegung, die noch bis zum Donnerstag in Kenias Hauptstadt zusammentrifft. Seine Exfrau Winnie, die am Sonntag über „Erinnerungen an afrikanische Befreiungskämpfe“ sprechen sollte, blieb dem Forum ohne Begründung fern.

Im umgebauten Stadion schwitzten Tausende in Seminaren gegen bilaterale Handelsabkommen, über die Erwartungen der Ärmsten beim G-8-Gipfel oder die Zukunft der Gewerkschaften. Viele ließen sich von der Sportplatzatmosphäre anstecken und liefen mit vollen Biergläsern durch die Hitze.

Am Tag zuvor hatten gut 20.000 Menschen im Uhuru-Park eine wahre Eröffnungsparty gefeiert. In einer Art Karneval der Subkulturen waren sie hinter einem Transparent mit dem Motto „Eine andere Welt ist möglich“ von Nairobis größtem Slum Kibera aus in die Innenstadt gezogen. Einige Kundgebungsteilnehmer trugen Plakate mit einem Bild von US-Präsident George W. Bush, auf dem dieser als „Terrorist Nummer eins“ bezeichnet wurde. Auf anderen stand: „Eine andere Welt ist möglich, auch für Slumbewohner“.

Die Eröffnungsrede hielt ein weiterer Expräsident, Kenneth Kaunda, der Sambia befreit und dann 27 Jahre lang zuletzt als Autokrat regiert hatte. „Die Zivilgesellschaft muss volle Kontrolle über alle öffentlichen Angelegenheiten haben und sich gegen jede Form von Ausbeutung zur Wehr setzen“, sagte Kaunda in einer Art später Einsicht.

Sein Auftritt wurde auch am Sonntag noch heiß diskutiert. „Wie können wir so jemanden hier auftreten lassen, geschweige denn bei der Eröffnung“, ärgerte sich Primrose Matambanadzo. Die Simbabwerin kämpft in ihrer Heimat mit der verfolgten „Crisis in Zimbabwe Coalition“ gegen die Unterdrückung der Zivilgesellschaft durch Präsident Mugabe, der vor allem afrikanischen Linken wie Kaunda bis heute als Befreiungsheld gilt.

Während Kaunda kein Problem bei der Einreise gehabt haben dürfte, verweigerte Kenia dem Dalai Lama das Visum, um das Weltsozialforum zu besuchen. Die kenianische Tageszeitung Daily Nation berichtete am Sonntag, die Botschaft habe kein Visum erteilt, obwohl Kenias Vizepräsident Moody Awori dies zuvor persönlich zugesagt habe. Kenias Botschaft in Neu-Delhi erteilte dem spirituellen Oberhaupt der Tibeter damit bereits zum zweiten Mal eine Absage. 1999 hatte der damalige Präsident Daniel Arap Moi die Weigerung persönlich begründet: Die Einreise des von Peking nicht anerkannten Dalai Lama könnte die guten Beziehungen zu China gefährden. MARC ENGELHARDT

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