: Es hilft nur, einfach aufzustehen und wegzugehen
Junge, ausgebildete Menschen, im Teufelskreis gefangen: Wenn die Generation Praktikum nichts unternimmt, wird es nur noch schlimmer
Eigentlich ist die Geschichte ganz alt. Georg Büchner beschreibt in seinem 170 Jahre alten Stück „Leonce und Lena“ die Generation Praktikum perfekt. „Erkennt, was man für euch tut, man hat euch grade so gestellt, dass der Wind von der Küche über euch geht und ihr auch einmal in eurem Leben einen Braten riecht“, schreibt der junge Autor. Und so ist es: Wir, die Generation Praktikum, riechen den Braten, sprich die Arbeit, dürfen sogar rein in die Küche – ins Unternehmen. Zu Tisch nehmen wir aber meistens nicht Platz: Das Praktikum ist vorbei, und wir stehen wieder vor der Tür, in Reih und Glied, Bewerber für die nächste befristete Stelle, unbezahlt oder unterbezahlt. Für uns bleiben allzu oft nur die leidlich abgenagten Knochen vom Braten. Die Arbeit haben andere. Das Geld sowieso.
Die Jungen, die oft besungenen „künftigen Leistungsträger“, haben ordentlich Muffensausen. Es ist die blanke Angst, die aus vielen Praktikantenkarrieren spricht. Angst vor der Arbeitslosigkeit: nutzlos zu sein, unwert für die Arbeitswelt. Lieber Praktikant als arbeitslos, lautet die perfide Logik, und sie macht vieles nur noch schlimmer.
Die Generation Praktikum macht sich, das ist das Perverse daran, umso ausnutzbarer, je mehr sie ihr Praktikantsein akzeptiert. Indem es für ganze Absolventenjahrgänge selbstverständlich wird, vor der ersten Anstellung noch ein Praktikum zu absolvieren – neben denen, die man bereits im Studium hinter sich gebracht hat! –, wird die Auswahl für die Unternehmen geradezu unbegrenzt. Die Bosse können aus immer mehr und besser ausgebildeten potenziellen Praktikanten auswählen, die sogar für lau arbeiten. So spart das Unternehmen reguläre Jobs – und sorgt für noch mehr Angst in der Generation Praktikum.
Dass Praktikanten hier schon längst in einem Teufelskreis gefangen sind, dürfte auch dem Letzten klar werden. Jeder Tag in ihm ist ein vergeudeter Tag, jeder ausgebildete junge Mensch, der sich nach seinem Abschluss hilflos abstrampelt, ist – ein vergeudeter Mensch. Einer mehr aus der dumpfen Gruppe, die nur noch Planlosigkeit eint, wo Hoffnung sinnlos ist und nur noch blanke Angst regiert.
Büchner wusste, wie man aus diesem Teufelskreis aussteigen kann. Die Apathie überwinden, Angst und Wut bündeln, Aufstehen gegen die, die uns ausbeuten. Man benötigt dazu keine gewaltsame Revolution. Es würde auch reichen, wenn all die Praktikanten einfach nicht mehr mitmachen würden. Den Unternehmen, die mittlerweile auf Praktikanten statt auf Beschäftigte bauen, eins auswischen. Einfach keine Praktika mehr machen.
Das wäre schön. Aber zu viel Optimismus ist derzeit nicht angebracht. Die Angst ist stärker, der Braten riecht einfach zu gut. Auch wenn die fetten Stücke immer die anderen kriegen.JAN GEORG PLAVEC
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