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Erneutes Studium der Gebühren

Wissenschaftssenator Zöllner (SPD) fordert Gebühren für Langzeitstudenten. Mit dem Modell war schon sein Amtsvorgänger gescheitert. Linkspartei.PDS pocht auf Einhaltung des Koalitionsvertrags

von RICHARD ROTHER

Jürgen Zöllner (SPD) hält offenbar wenig von Verträgen. Gleich in zwei Punkten hat der neue Senator für Bildung und Wissenschaft gestern der im Koalitionsvertrag vereinbarten Bildungspolitik widersprochen. Zum einen fordert er die Einführung eines Studienkontenmodells in Berlin. Dann würden Langzeitstudenten zur Kasse gebeten. Zum anderen sprach er sich gegen die Einführung der Gemeinschaftsschule aus. SPD und Linkspartei hatten erst im November die Einführung von Studiengebühren ausgeschlossen und ein umfassendes Modellprojekt für die Gemeinschaftsschule auf den Weg gebracht.

Berlin müsse ernsthaft über Ressourcen für seine Hochschulen nachdenken, sagte Zöllner gestern auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer (IHK). Er favorisiert ein mittelfristiges Modell, bei dem Studenten eine gebührenfreie Ausbildung in der festgelegten Regelstudienzeit erhalten, für zusätzliche Semester aber bezahlen müssten – was vor allem jene Studenten vor Schwierigkeiten stellt, die neben der Uni für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen. Ein vergleichbares Modell hatte Zöllner bereits für Rheinland-Pfalz entwickelt, wo er bis Ende 2006 Bildungsminister war. Studiengebühren für alle von Beginn der Hochschulausbildung lehnt Zöllner jedoch ab.

Beim Koalitionspartner stieß Zöllner mit seinen Vorstellungen gestern auf Widerstand. „Studienkonten sind mit uns nicht zu machen“, sagte die Fraktionschefin der Linkspartei.PDS, Carola Bluhm. Finanzielle Hürden für den Hochschulzugang dürfe es nicht geben. An den Koalitionsvertrag müssten sich beide Seiten halten.

Zöllners Idee ähnelt einem Modell, das der damalige Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) vor drei Jahren vorgelegt hatte. Damit löste er wochenlange Protestaktionen der Berliner Studenten aus. Unter anderem besuchten sie einen Parteitag der PDS und überzeugten deren Basis, gegen die Pläne ihres Senators zu stimmen. Flierl musste sein Modell einmotten.

Verwundert zeigte sich PDS-Fraktionschefin Bluhm auch über Zöllners Ablehnung der Gemeinschaftsschule. Diese Haltung stehe im Widerspruch zu dem, was der Bildungssenator sonst sage. Man müsse jetzt die ideologische Diskussion beenden und das Modell Gemeinschaftsschule in der Praxis erproben. Seien diese Modellprojekte erfolgreich, werde auch die Akzeptanz einer Schulform steigen, die nicht von vornherein aussortiert.

Die Linkspartei habe nur ihre Idee der Gemeinschaftsschule vor Augen und kümmere sich zu wenig um die konkreten Probleme hier und jetzt, kritisierte dagegen gestern der Grünen-Bildungsexperte Özcan Mutlu. Wichtig sei nicht die Schulform, sondern dass sich nachhaltig in der Schule etwas ändere. Jedes Kind müsse individuell gefördert werden. Allerdings verfolgt auch Mutlu als langfristiges Ziel die Einführung einer „flächendeckenden Gemeinschaftsschule“. Ein Zwischenschritt auf dem Weg dahin könne eine zweigliedrige Schule sein, so Mutlu. Damit würde die Hauptschule – die vielerorts eine Resteschule ist – als Erstes abgeschafft.

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