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Plug me in, plug me in

Park Chan-wooks herrlich abstruser Anstaltsfilm „Ich bin ein Cyborg, aber das macht nichts“ im Wettbewerb

Das Mädchen Young-goon hat den gefährlichsten Zeigefinger der Welt. Wo andere Menschen die Fingerkuppe haben, hat sie die Mündung einer Schnellfeuerwaffe. Und Young-goon schießt, wenn sie nicht genügend unter Strom steht, aus allen Rohren.

Die Gemetzel, die sie dabei anrichtet, zählen zu den Höhepunkten des koreanischen Wettbewerbsbeitrags „Sai Bo Gu Ji Man Gwen Chan A“ („Ich bin ein Cyborg, aber das macht nichts“) von Park Chan-wook. In Variation eines amerikanischen Anstaltsklassikers wäre ein möglicher Titel auch gewesen: Eine schießt über das Kuckucksnest. Bei allem surrealen Überschwang geht es aber auch hier im Kern um ganz gewöhnliche Gefühle. Sie müssen nur allmählich freigelegt werden, und das dauert bei Young-goon eine Weile. Sie lebt mit der fixen Idee, ein Roboter zu sein. Und wie sie da in der langen Reihe der uniform gekleideten Arbeiterinnen sitzt, wie Park Chan-wook seinen Film beginnt, ist diese Vorstellung gar nicht einmal abwegig.

Young-goon (Lim Soo-jung) aber nimmt sie zu wörtlich: Sie schneidet sich die Pulsadern auf, steckt ein Stromkabel hinein und schließt sich an. Dann kippt sie vom Sessel. Als sie wieder aufwacht, befindet sie sich in dem Sanatorium, in dem der Film weitgehend spielt. Die anderen Patienten sind nicht minder seltsam, und eine ganze Stunde lang lässt Park Chan-wook seiner Fantasie die Zügel schießen. Er erfindet die abstrusesten Pathologien, versieht sie mit kleinen Vorgeschichten und taucht alles in eine psychedelische Atmosphäre, die sicher nicht gesund ist, aber ständig für Ablenkung sorgt.

Young-goon verweigert die Nahrungsaufnahme, weil sie der Meinung ist, dass sie nicht auf Eiweiß und Kohlenhydrate angewiesen ist, sondern auf elektrischen Strom. Auf dem Grund dieser Geschichte liegt also ein gar nicht so außergewöhnliches Schicksal: eine Essstörung. Die Art und Weise, wie Park Chan-wook die Kur organisiert, ist dann auch nur dem ersten Anschein nach exzessiv. In Wahrheit folgt er einer durchaus ausgeklügelten therapeutischen Logik, die in sanften Schritten aus dem Reich der Fantasie in die Realität führen soll. Der Junge Il-soon, selbst ein Patient, der ungern ohne Maske in Gesellschaft geht, gewinnt langsam das Vertrauen von Young-goon. Wenn man so will, findet er die Gebrauchsanweisung für sie.

Wie bei den Patienten in der psychiatrischen Anstalt ist auch bei dem Film „Sai Bo Gu Ji Man Gwen Chan A“ die innere Geschichte hinter der Vielgestalt bizarrer Symptome verborgen –man muss also auch hier die Gebrauchsanweisung finden, die es erlaubt, mehr als nur Gags und verrückte Ideen zu sehen. Park Chan-wook hat sich diesbezüglich nach seinem nationalen Superhit „Joint Security Area“ weniger Hemmungen auferlegt. Seine sogenannte Rache-Trilogie („Sympathy for Mr. Vengeance“, „Old Boy“, „Lady Vengeance“) ging zudem großzügiger mit Gewalt um – einer Gewalt, die nun deutlicher als das phantasmagorische Andere einer armen Seele erkennbar wird. Sein diesjähriger Wettbewerbsbeitrag hat eine gar nicht so heimliche Sehnsucht: Realismus.

BERT REBHANDL

„Sai Bo Gu Ji Man Gwen Chan A“ („Ich bin ein Cyborg, aber das macht nichts“). Regie: Park Chan-wook. Mit Lim Soo-jung, Jung Ji-hoon; Republik Korea 2006, 105 Min.Heute, 10. 2., 12 und 21 Uhr, Urania; 18. 2., 16.30 Uhr, Berlinale Palast

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