berlinale szene Wirklichkeit im Kino

Superschön und trostlos

Eigentlich bin ich für das Authentische, also Filme, bei denen man denkt, sie würden eine nicht reklametaugliche Wirklichkeit auch da, wo’s unangenehm wird, widerspiegeln. Oft ist die Verdoppelung aber auch anstrengend. Wenn man etwa in einem authentisch deprimierenden Film war („Madonnen“ von Maria Speth), in dem nie die Sonne scheint, die Heldin von altem Unglück in neues rennt und Westdeutschland so trostlos aussieht wie in der eigenen Erinnerung, ist einem ziemlich trist zumute.

„Wenn sie ihn doch wenigstens geliebt hätte …“, sagte traurig guckend die Kollegin, und ich dachte, dass ich den Film vielleicht sogar gut gefunden hätte, wäre es draußen superschön gewesen, und dass mir andrerseits die hippieesken Liebesszenen in der Lady-Chatterley-Verfilmung – bei denen im Publikum empörenderweise teils abwehrend gelacht wurde – auch deshalb sehr gut gefielen, weil der echte Tag an Miesepetrigkeit kaum zu überbieten war. Wäre ich allerdings nach dem Kino von einem pelzig weichen Oberklasseauto abgeholt worden, anstatt mich radfahrend durch den Regen quälen zu müssen, hätte ich vielleicht was von „teenagerhaftem Blümchensex“ und „doof“ gemurmelt.

Ganz komisch auch, dass sich manche Zuschauer vorsätzlich in die erste Reihe setzen, obgleich in den anderen noch Platz ist. Ich habe selbst in der sechsten Reihe Probleme, die ganze Leinwand zu erfassen und scharf zu stellen.

DETLEF KUHLBRODT