Seehofer schafft Ordnung

„Mehr Zeit, um mein Privatleben zu ordnen“, wünschte sich Horst Seehofer (CSU) – vor mehr als drei Wochen. Inzwischen fragt sich nicht nur der Kölner Erzbischof: „Wie weit sind wir gekommen?“

Bei strömendem Regen gleitet ein schwarzer BMW durch Ingolstadt und hält vor einem schlichten Eigenheim am Unteren Graben 77. Aus steigt Horst Seehofer, 57, Bundesminister, und vielleicht nächster Parteivorsitzender der CSU. Vor der Haustür sucht er noch nach dem Wohnungsschlüssel, da öffnet ihm auch schon seine Gattin Karin, 48. Sie hat geweint …

Horst (vor sich hinmurmelnd): Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.Karin (tapfer): Schön, dass du dich mal wieder blicken lässt. Horst (nickt seiner Gattin zu und murmelt weiter): Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade …Karin: Du, im Bauernzimmer warten schon die Leut’. Ich habe ihnen gesagt, dass du zur Beichte bist, gell, aber sie meinten, es wäre schon dringend.Horst: … bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen. Uff. Karin (milde): Bist’ jetzt durch?Horst: Ja. Wenn ich mich nicht verzählt habe, müssten das jetzt 100 „Ave Maria“ gewesen sein. Karin (mitfühlend): Ein gestrenger Beichtvater is er scho, der Herr Kardinal Meisner.Horst: Und ob! Mich hat er gefragt, wie ich Vorsitzender einer christlichen Partei werden will, wo ich’s doch mit der ehelichen Treue nicht so genau nehme …Karin (winkt ab): Das habe ich doch alles schon im Kölner Express gelesen.Horst (nachdenklich): So so, der Express. Und ich hab’ mich noch gefragt, warum’s im Beichtstuhl so eng und stickig war. Egal. Ich bin dann mal im Bauernzimmer, Karin, mein Privatleben ordnen. Karin (pragmatisch): Deine drei Kinder, deine Familie und mich hast du hier in Ingolstadt. Und deine zierliche Juristin, 32, hast du oben in Berlin. Ist doch alles schon schön geordnet!Horst (genervt): Herrschaftszeiten! Wie oft soll ich dir das noch erklären? Das ist keine Ordnung, sondern eine Trennung. Wie beim Müll! (zeternd ab)Horst (später, im Halbdunkel hinter seinem Schreibtisch sitzend, umgeben von Akten und Ordnern und anderen Dämonen): Also, wie sag ich’s nur meiner schwangeren Geliebten …Zierliche Juristin, 32: Halb so wild, mein wildes Hörstchen. Ich wusste doch, worauf ich mich einlasse. Deine Familie braucht dich. Bayern braucht dich. Deutschland braucht dich. Ich brauch’ eigentlich nur deine monatlichen Überweisungen. Wir können ja Freunde bleiben, na?Horst (abwesend): Aber meine Partei, braucht die mich auch? Die Basis hat mich immer für eine ehrliche Haut gehalten. Und ich? Wasser hab’ ich ihnen gepredigt und mich hintenrum mit dem köstlichen Wein der Wollust besoffen, diesem köstlichen, köstlichen Wein!Die Basis (jubilierend): Wollust! Wein! Jawoll, das kennen wir! Horst, du bist und bleibst einfach einer von uns!Erwin Huber (zischelnd): Die Partei braucht einen Vorsitzenden mit persönlicher Integrität!Die Basis: Geh scheißen, Erwin!Horst (wie auf Autopilot): Ich stehe in keinem Gegensatz zu Erwin Huber. Ich repräsentiere das ganze Spektrum der Volkspartei CSU und nicht allein das Sexuelle, auf das ich oft reduziert werde.Zierliche Juristin, 32: Das kann ich nur bestätigen!Die Basis: Schleich dich, Weib! Horst: Ihr seid’s so gut zu mir. Aber wie bring’ ich da jetzt ordentlich Ordnung rein? Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll …Edmund Stoiber: Äh, Ordnung? Schau, da kenne ich mich aus, Horst. Hast du Klarsichthüllen im Haus? Leitz-Ordner? Hängeregistraturen mit Sichtfenstern? Sichtfenster sind ganz wichtig …Horst (seufzend): Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade …

ABGEHÖRT VON ARNO FRANK