piwik no script img

Diekmann first

„Bild“-Umzug nach Berlin: In Hamburg protestieren Springer-Mitarbeiter gegen die geplante Umsiedlung. Vorstandschef Döpfner versichert, dass Sparpläne nicht den Ausschlag gegeben hätten

„Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht.“ Das ist ein Slogan, mit dem die Bild-Zeitung für sich wirbt. Aber wie in der Zeitung selbst gibt es auch in der Frage, ob die Redaktion von Hamburg nach Berlin verlagert werden soll, mehrere Wahrheiten. „Ich bin kein Berliner“, stand auf den roten T-Shirts der rund 250 Springer-MitarbeiterInnen, die gestern Mittag vor dem Hamburger Verlagsgebäude gegen den geplanten Umzug protestierten. Am Nachmittag traf in Hamburg der Springer-Vorstand zusammen, um über die Verlagerung zu beraten. Eine Entscheidung war bis Redaktionsschluss dieser Seite noch nicht gefallen.

Bild-Chefredakteur Kai Diekmann hatte die Verlagerung bislang als „Wunsch der Redaktion“ bezeichnet. Doch da scheint er seine Redaktion schlecht zu kennen. Oder gar nicht gefragt zu haben. Laut Betriebsratsvorsitzendem Ulrich Liedke hat eine Umfrage des Betriebsrates in der Bild-Redaktion ergeben: 89 Prozent der RedakteurInnen wollen in Hamburg bleiben. Prompt bekam Diekmann Schützenhilfe von ganz oben: Die primären Gründe für den Umzug seien publizistischer Natur, sagte Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner gestern. „Vor allem stehen keine Rationalisierungsüberlegungen im Vordergrund. Das kann ich klar ausschließen.“ Auch die Vize-Gesamtbetriebsratvorsitzende Gudrun Dilg glaubt, dass es keine finanziellen Gründe für die Verlagerung gibt – aber auch keine organisatorischen: „Der Umzug ist eine reine Geschmacksfrage.“

Eine Geschmacksfrage, die rund 700 MitarbeiterInnen und ihre Familien betreffen könnte. Dass die Mitarbeiter verunsichert seien, könne er gut verstehen, erklärte Döpfner gestern weiter. Es werde auch Mitarbeiter geben, die negativ betroffen seien. Er sei aber optimistisch, dass sich die Lage wieder beruhigen werde, wenn die grundsätzliche Linie klar sei. Das sieht Betriebsrat Liedke anders: Erfahrungen aus solchen Verlagerungen hätten gezeigt, „dass viele Familien zerstört würden“.

Auch wenn der Umzug wohl beschlossene Sache ist, bezweifeln Gewerkschafter, dass es wie geplant zum Vollzug kommt: „Der Weg ist noch lang“, sagte Monika Kabay vom Deutschen Journalisten-Verband gestern. Und hatte für den auf „Online-First“-versessenen Springer-Vorstand noch einen Tipp parat: „Wenn die Bild-Chefredaktion nach Berlin ziehen will, soll sie doch nach Berlin ziehen – bei der heutigen Vernetzung wäre das kein Problem.“ KVA, HPI mit AP

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen