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: Die schüchterne Sabine

In „Schwiegertochter gesucht“ (So., 19.05 Uhr) verkuppelt RTL bindungswillige Frauen mit hoffnungslos verdorbenen Muttersöhnchen

Man muss nicht unbedingt Bauer sein, um sich einsam zu fühlen. Am morgigen Sonntag sehen wieder ein paar Millionen Menschen zu, wie Junggesellen, die sich rund um die Uhr von ihren Müttern verwöhnen lassen, auf Partnersuche sind. „Schwiegertochter gesucht“ heißt der neueste RTL-Erfolg, und er ist eine konsequente Fortsetzung von „Bauer sucht Frau“. Es gibt so viele traurige Junggesellen da draußen, ungeliebt und ungebunden. Und die Partnervermittlungsagentur RTL läuft auf Hochtouren. Die Frage ist nur: Was ist eigentlich so interessant daran, Männern jenseits der Selbstständigkeitsgrenze dabei zuzusehen, wie sie unbeholfen enttäuschte Frauenherzen zu erobern versuchen?

Vielleicht beruht die gruselige Anziehungskraft von „Schwiegertochter gesucht“ darauf, dass es im Leben eben nicht immer so zugeht, wie wir das mal vom RTL-„Bachelor“ vorgeführt bekommen haben, der sich als stattlicher Millionär eine hochattraktive Frau erwählen durfte. In der neuesten RTL-Kuppelsendung präsentieren sich die Kandidaten stattdessen mit all ihren Unzulänglichkeiten. Und sie haben unverrückbare Grundsätze bei der Partnerwahl: Herzensdamen müssen sich gut mit der Mama verstehen, den Hobbys des Mannes anpassen und am besten im familieneigenen Landgasthof mit anpacken.

Die Partnerin fordert die ungeteilte Aufmerksamkeit des Liebsten und den sofortigen Kontaktabbruch mit der Exfreundin, weil es im Leben jedes Mannes nur eine Frau geben kann (Mama zählt nicht mit).

Es wäre schön, sagen zu können, dass „Schwiegertochter gesucht“ die deutsche Spießigkeit entlarvt und auf die Schippe nimmt. Aber das Gegenteil trifft zu: Die Sendung zelebriert Beziehungs- und Verhaltensmuster, die selbst im Mittelalter als konservativ gegolten hätten. Mühe bei der Inszenierung musste sich RTL dafür nicht geben. Moderatorin Vera Int-Veen trägt zu der Kuppelei kaum etwas bei und erscheint in jeder Folge lediglich für eine separat gedrehte An- und Abmoderation. Die lieblosen Off-Kommentare wirken, als hätten sich die Moderationskärtchenschreiber von „Deutschland sucht den Superstar“ was dazuverdient. Außerdem müssen sie dabei von der Adjektivitis befallen worden sein: Der „passionierte Pfahlsitzer Hans-Herrmann“ ist zugleich „lustiger Schlagerfan“ und „munterer Lebenskünstler“, dann gibt es den „freundlichen Bäcker Karsten“, den „charismatischen Aquarellmaler Norbert“, den „verliebten Rheinländer Dirk“ sowie den „sportlichen Industriekaufmann“ Benjamin. Da können „die schüchterne Sabine“ und „die forsche Petra“ natürlich nicht mithalten, allenfalls bei der Berufswahl: „Fahrerin von Essen auf Rädern“ blendet RTL am Bildschirmrand ein, wenn die Damen zu Wort kommen, oder: „besitzt eine Bratwurst-Bude“.

„Schwiegertochter gesucht“ ist ein bisschen so, als würde man sich als Unbeteiligter ins Bierzelt beim nächsten Dorffest stellen und zusehen, wie mit steigendem Alkoholpegel die Sympathien der Feiernden füreinander wachsen. Nur heißt das Bierzelt im TV eben RTL. PEER SCHADER