: „Dieser Automatismus ist fatal für die Weltbank“
Weltbank-Kritikerin Lucy Baker vom Londoner Bretton Woods Project fordert ein offenes Verfahren für die Nachfolge von Paul Wolfowitz
LUCY BAKER, 33, arbeitet für die NGO Bretton Woods Project in London.
taz: Frau Baker, Paul Wolfowitz ist von seinem Posten als Weltbankpräsident zurückgetreten. Sind Sie jetzt zufrieden?
Lucy Baker: Ich begrüße das, seine Verfehlungen waren ja auch schwer genug. Aber ich bin sehr enttäuscht, dass es sechs Wochen dauern musste, bis es zum Rücktritt kam. Besonders ärgert mich, dass er zurücktreten konnte, ohne dass seine Verfehlungen offiziell anerkannt wurden.
Wie konnte es dazu kommen?
Das liegt an den Strukturen der Weltbank. Der Präsident wird traditionell von den USA ernannt, die den größten Stimmenanteil in der Weltbank besitzen und damit sogar ein Vetorecht haben.
Dann dürfte ja auch der nächste Präsident wieder ein Amerikaner sein.
Dieser Automatismus ist fatal für die Legitimität der Weltbank. Eine Institution, die von den Entwicklungsländern Partizipation, gute Regierungsführung und Achtung der Menschenrechte verlangt, sollte sich auch selbst auf demokratische Prinzipien einlassen und dem Süden mehr Mitsprache einräumen.
Wie könnte das konkret aussehen?
Die Stimmen müssten gerechter verteilt werden. 47 Länder im südlichen Afrika haben zusammen nur 7 Prozent der Stimmen. Die USA haben allein 16 Prozent. Dabei spürt man die Auswirkungen der Weltbank-Politik vor allem in den Ländern, die bisher am wenigsten zu sagen haben. Am dringendsten ist momentan aber ein offenes und transparentes Verfahren für die Auswahl des neuen Präsidenten. Es darf nur die Qualifikation des Kandidaten zählen.
Welche Kriterien muss der neue Weltbank-Chef erfüllen?
Er braucht Erfahrung im Management einer multilateralen Organisation, in der Entwicklungspolitik und der Armutsbekämpfung. Von Vorteil wäre auch, wenn er sich mit Umweltthemen auskennt. Aber das ist nur gewährleistet, wenn offen, transparent und nach Qualifikation entschieden wird.
Jetzt ist Tony Blair ins Gespräch gebracht worden. Würde er Ihre Kriterien erfüllen?
Es wäre wirklich interessant zu wissen, ob er sich bewerben will. Allerdings hätten wir dann wieder ein altes Wolfowitz-Problem. Genau wie Wolfowitz war auch Blair ein überzeugter Verfechter des Irakkriegs.
Wer wäre denn Ihr Lieblingskandidat?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wir wollen ein offenes Auswahlverfahren. Alles andere wäre ja auch nicht besser als die alte Vetternwirtschaft bei der Weltbank.
INTERVIEW: NIKOLAI FICHTNER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen