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Streikende lassen es klingeln

Seit zwei Wochen legen Telekom-Mitarbeiter die Arbeit nieder, gestern ganz öffentlich vor dem Roten Rathaus. Folge: schlechtere Betreuung. Auch Ver.di ist betroffen: Die Gewerkschaft ist Telekom-Kunde

VON NANA GERRITZEN

Es wirkt ein bisschen wie ein Volksfest. Vor dem Roten Rathaus dröhnt Rockmusik von einer Bühne, dazwischen drängt sich der Krach von Trillerpfeifen und Stimmengewirr. Dank vieler Gulaschkanonen riecht es auf dem Platz nach Minestrone; überall sitzen und stehen Menschen. Manche haben Campingstühle mitgebracht.

Unter dem Motto „5 nach 12 – die Telekom muss sich bewegen“, hatte die Gewerkschaft Ver.di gestern zu einem deutschlandweiten Aktionstag aufgerufen. Aus Berlin und Umgebung waren rund 2.000 Telekom-Mitarbeiter dem Aufruf gefolgt; sie streikten quasi öffentlich gegen den geplanten Konzernumbau. Einer von ihnen ist Detlef Kluge. „Für mich ist es unheimlich wichtig, dass die geplanten Umstrukturierungen zurückgenommen werden“, schreit er und versucht, die älteren, langhaarigen Rocker auf der Bühne zu übertönen. Seit 1989 ist Kluge Mitarbeiter des technischen Kundendienstes der Telekom. Sollte der Konzern seine Pläne durchsetzen, hätte der 39-Jährige nicht nur eine längere Arbeitswoche und weniger Geld, sondern auch einen neuen Arbeitsvertrag. „Ich würde praktisch wieder bei null anfangen, auch mein Kündigungsschutz wäre verwirkt“, erklärt er.

Seit zwei Wochen läuft der Streik gegen den Konzernumbau. In Berlin legen täglich zwischen 1.000 und 2.500 Telekom-Mitarbeiter die Arbeit nieder. Die geplante Auslagerung von 50.000 Mitarbeitern in den neuen Geschäftsbereich T-Service geht einher mit einer Verlängerung der Arbeitszeit von 34 auf 38 Stunden und sinkendem Gehalt. Telekom-Chef René Obermann begründet den Umbau mit dem harten Wettbewerb.

In Berlin und Brandenburg sind laut Ver.di rund 5.200 Telekom-Mitarbeiter von den Planungen betroffen. „Natürlich wirkt sich der Streik auch auf unseren Service aus“, erklärt Jürgen Will. Anschlüsse könnten nur verzögert eingerichtet, Störungsmeldungen nicht so schnell bearbeitet werden und in den Callcentern gebe es längere Wartezeiten, erklärt der Sprecher der Berliner Telekom. Wie viel unbearbeitete Anfragen sich inzwischen angehäuft haben, kann er nicht sagen.

„Meiner Ansicht nach waren deren Kunden-Hotlines schon immer überlastet“, kritisiert Jörg Kiekhäfer dagegen. Der Ver.di-Gewerkschaftssekretär spricht offenbar aus eigener Erfahrung: Ver.di Berlin-Brandenburg ist selbst Kunde der Telekom.

Nicht von etwaigen Auswirkungen des Streiks betroffen sind in jedem Fall Polizei, Feuerwehr und Krankenhäuser. Mittels einer Notdienstregelung haben sich Telekom, Gewerkschaft und Streikende verpflichtet, Störungen oder Ausfälle bei diesen Institutionen auch im Streik schnellstmöglich zu beheben. „Wir bestreiken schließlich die Telekom und nicht die Kunden“, erklärt Kiekhäfer. Auch Privatkunden mit großen gesundheitlichen Problemen, die auf eine funktionierende Leitung angewiesen sind, fallen unter die Sonderregelung. „Nur missbraucht die Telekom leider diese Vereinbarung, um ihren Regelbetrieb aufrechtzuerhalten“, kritisiert Kiekhäfer. In wenigen Tagen habe das Unternehmen allein in Berlin und Umgebung mehr als 400 Mitarbeiter zu angeblichen Notfällen bestellt.

„Wenn die Telekom mit ihren Umstrukturierungsplänen durchkommt, gibt es eine Abwärtsspirale, die man in diesem Land noch nicht gesehen hat“, prognostiziert Kiekhäfer. Andere Großkonzerne hätten dann keinen Grund mehr, vor absurden Forderungen zurückzuschrecken.

Gegen Mittag ist die Musik verstummt, der Boden ist mit Plastikbechern übersät. Die meisten Demobesucher streiken zu Hause weiter. Sie haben sich mit einem langen Arbeitskampf abgefunden.

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