: Frühlingserwachen
AXEL SPRINGER Der Konzern brummt, sein Vorstandschef Mathias Döpfner freut sich über neue alte Feinde beim „Spiegel“, entdeckt den Lyriker in sich und hat am deutschen Privatfernsehen zurzeit gar kein Interesse
AUS BERLIN STEFFEN GRIMBERG
Der Winnetou bleibt heute mal im Schrank, aber Mathias Döpfner (Foto), der bei diversen Auftritten der letzten Zeit gern Anleihen beim unerschrockenen Optimismus und Mut des Apachenhäuptlings machte, hat auch so gute Laune. Draußen ist es frühlingshaft, drinnen gibt es ein Rekordergebnis, mal wieder, „es war ein sehr gutes Jahr 2010“, sagt Döpfner. Auch sonst hat Springer sichtlich Spaß: Herr Fröhlich von der Pressestelle macht seinem Namen alle Ehre und verteilt stolz Streichholzschächtelchen, die mit dem aktuellen Spiegel-Titel, der Bild der geistigen Brandstiftung bezichtigt, beklebt sind. Hintendrauf wirbt Bild für ein kostenloses 6-Tage-Testabo. Wofür sie bei Springer alles Zeit haben …
Über die Bild-kritische Titelgeschichte im wieder angriffslustigeren Spiegel könne man sich im Übrigen ja auch gar „nicht beklagen“, sagt Döpfner, „journalistisch fair“ sei das gewesen und schließlich könne sich „doch jeder den Spiegel vorhalten und sich seine Meinung bilden“. Solange das Boulevardblatt die wichtigste Cash-Cow der Axel Springer AG bleibt, darf Bild-Chefredakteur Kai Diekmann sowieso (fast) alles machen, sogar taz-Anzeigen.
Wie viel das Blatt, das demnächst mal wieder die Preise erhöht, am auf satte 510,6 Millionen Euro gestiegenen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen beiträgt, sagt zwar auch Döpfner nicht so genau. In der Branche kursieren Zahlen von rund 40 Prozent. Und so kommt der Konzern auch für seine deutschen Zeitungen insgesamt auf Gewinnmargen von mehr als 20 Prozent. Online wächst, alles brummt, Springer ist schuldenfrei und könnte für Zukäufe noch mal eben Kredite in Höhe von 1,5 Milliarden Euro aufrufen.
Gebraucht werden die allerdings derzeit gar nicht, denn das wichtigste Gerücht ist schon dementiert: Springer wird keinen neuen Versuch unternehmen, bei der ProSiebenSat.1 AG einzusteigen. Die Sendergruppe mit Sitz in Unterföhring bei München, die in Deutschland immerhin die eine Hälfte des Privatfernsehens ihr Eigen nennt, wird zwar derzeit angeboten wie sauer Bier. Doch ein Bericht der Süddeutschen Zeitung, nachdem „Döpfners Traum“ wäre, mit zumindest 25 Prozent wieder beim von den Finanzinvestoren Permira und KKR gehaltenen Laden einzusteigen, seien doch eher „Wunschträume aus Unterföhring“, sagt der Springer-Chef: „Es gibt keine Gespräche, es gibt keine Überlegungen.“
2006 war die Komplettübernahme des TV-Konzerns durch Springer vom Bundeskartellamt und der Medienkonzentrationskommission KEK untersagt worden. Zum Zuge kamen darauf die Finanzinvestoren, die den Laden nun möglichst teuer weiterverkaufen wollen. Zu teuer, wie nicht nur Springer findet: Der von ProSiebenSat.1 trotz hoher Verschuldung aufgerufene Preis bewege „sich in keiner Größenordnung, die auch nur ansatzweise für uns vertretbar wäre“, sagt Döpfner und dass „die Wahrscheinlichkeit“, dass Springer hier noch einmal Anlauf nimmt, „noch nie so gering war wie heute“. Das wird in Unterföhring, wo am heutigen Donnerstag die Geschäftszahlen fürs vergangene Jahr präsentiert werden, niemanden freuen, zumal KKR und Permira wegen diverser anderer nicht so ganz rund laufender Investments ziemlich klamm sind.
Doch das kann Springer egal sein, hier sind Frühlingsgefühle angesagt: Die beiden als Urlauber getarnten BamS-Reporter, die im Iran festsaßen, sind wieder frei und „hatten definitiv nicht zuerst ein Journalistenvisum beantragt“, sagt Döpfner; es habe von Anfang an „eine touristische Legende“ gegeben, und im Übrigen habe die BamS-Chefredaktion die Aktion auch nicht mit dem Vorstand abgesprochen. Und weil die beiden jüngsten Zukäufe – die Mehrheit am französischen Online-Immobilienportal SeLoger und 74,9 Prozent an der deutsche Internet-Prospektplattform KaufDa – nicht ganz so viel mit Journalismus zu tun haben und wie der ganze Auftritt des Springer-Vorstands heute recht prosaisch ausfallen, wird’s wenigsten im Jahresbericht schwer lyrisch.
Döpfner erzählt da noch mal, wie er Franz Josef Wagner die tägliche „Post von“-Kolumne überhalf, nennt Benjamin von Stuckrad-Barre „die fleischfressende Pflanze im Gewächshaus der literarischen Reportage“ und schwurbelt über den gerade erst vom Spiegel geerbten Krawallexperten Hendryk M. Broder, er schreibe „online schneller, als Lucky Luke den Colt zieht“.
Nun kann ein Konzernchef bei 17,9 Millionen Euro Vorstandsvergütung, die sich auf gerade mal vier Personen verteilt, sich ja auch einen Frühlingsboten wie Wagner leisten, der natürlich auch was zur Aktionärserheiterung beigesteuert hat: „Liebe Springer-Aktionäre“, schreibt Fanz Josef Wagner da: „Bitte entlassen Sie mich.“ Natürlich nur im Spaß.