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Archiv-Artikel

Ein ungarisches Gericht verkennt NS-Propaganda

„Ein antisemitischer Film, wie wir ihn uns nur wünschen können“. So urteilte einst der NS-Propagandaminister Joseph Goebbels über Veit Harlans Film „Jud Süß“ (1940). Anders sieht es ein Arbeitsgericht in Budapest, das am Mittwoch laut ungarischer Internet-Zeitung index.hu entschied, das Machwerk sei „unideologisch“. Das Arbeitsgericht war zuständig, weil ein Mann gegen seine Entlassung geklagt hatte. Er wollte den Film „Jud Süß“ im Sommer 2008 in Budapest zeigen und wurde deswegen von seinem Arbeitgeber, dem Weltverband der Ungarn (MVSZ), als Geschäftsführer der Firma Pax Pannonia Kft. gefeuert. Diese Kündigung, so der Richter, sei zu Unrecht erfolgt. Der Film wurde damals trotzdem gezeigt – von anderen Veranstaltern in halbgeheimen Kellerlokalen.

Auf DVD gebrannte Raubkopien des Propagandamachwerks zirkulieren in Ungarn. Die in Wiesbaden ansässige Friedrich-Murnau-Stiftung, die die Rechte an dem Film hält, hat keine Vorführung in Ungarn autorisiert. In Deutschland steht „Jud Süd“ als „Vorbehaltsfilm“ auf dem Index und darf nur nach historisch-kritischer Einführung und mit besonderer Genehmigung gezeigt werden. Auch in Österreich wird er normalerweise nur in kommentierten Sondervorstellungen gezeigt. In Ungarn ist der Film zwar nicht verboten, aber verpönt. Die letzte genehmigte Vorführung fand Anfang der 1990er Jahre anlässlich einer Konferenz über die NS-Propaganda statt.

Im Juli 2008 warben rechtsextreme Internetportale für die Veranstaltung. Ein Journalist, der sich zu einer der Aufführungen Zutritt verschaffen konnte, berichtete entsetzt, wie ein gutbürgerlich wirkendes Publikum bei den einschlägigen Szenen, in denen Juden als raffgierige Wucherer dargestellt werden, begeistert gejohlt habe. Joseph Goebbels hätte seine Freude gehabt. „Jud Süß“ wurde unter anderem eingesetzt, um Soldaten vor Einsätzen in Konzentrationslagern gegen menschliche Gefühle für Juden zu immunisieren.

Als Veranstalter in Budapest werden der rechtsextremen Verlag der Brüder Gede und die Ehefrau des reformierten Pfarrers Lorant Hegedüs vermutet. Hegedüs hatte sich schon als Brandredner bei den rechtsradikalen Krawallen der Jahre 2006 und 2007 einschlägige Prominenz erworben. Budapest beherbergt die größte jüdische Gemeinde Mitteleuropas. Antisemitismus wird in der politischen Auseinandersetzung immer wieder vor allem gegen Linke und Intellektuelle eingesetzt.

RALF LEONHARD