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Archiv-Artikel

Prozessposse vor dem Ende

Im Prozess gegen den Holocaustleugner Ernst Zündel wird ein Urteil erwartet. Die rechtsextremen Anwälte verschleppen allerdings das Verfahren mit bizarren Mitteln

MANNHEIM taz ■ Es kommt schon mal vor, dass Staatsanwalt Andreas Grossmann sehnsüchtig auf ein Plädoyer des braunen Staranwalts Jürgen Rieger (NPD) hofft. So wie heute. Mit Riegers Plädoyer für seinen Mandanten Enst Zündel (67) wäre der nach Grossmanns Worten „bizarrste Prozess“ der deutschen Justizgeschichte endlich zu Ende.

Seit November 2005 wird am Landgericht in Mannheim gegen den notorischen Holocaustleugner und Hitlerverehrer Ernst Zündel verhandelt. Ihm werden Volksverhetzung und die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener vorgeworfen. Ende Januar forderte Staatsanwalt Grossmann in seinem Plädoyer bereits eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren für den Angeklagten (taz vom 27.01.07). Zündel sei Volksverhetzung in wenigstens 14 Fällen eindeutig nachgewiesen worden, so der Staatsanwalt. „Verbohrt“ leugne Zündel den Holocaust weiter: „Deutschland muss vor diesem politischen Rattenfänger bewahrt werden.“

Doch Zündels Verteidigerriege präsentiert immer neue seltsame Anträge und zögert einen Urteilsspruch hinaus. Der knapp 70 Jahre alte rechtsextremistische Rechtsanwalt Helmut Schaller aus Österreich verlangte „Freispruch“ für seinen Mandanten – wegen „Verbotsirrtums“. Der zuletzt in Kanada und den USA residierende Zündel soll nicht gewusst haben, dass das Leugnen des Holocausts in Deutschland strafbewehrt ist. Zündel grinste dazu breit.

Seine Rechtsanwältin Sylvia Stolz, die ihre Anträge mit „Heil Hitler“ unterzeichnete, wurde bereits wegen Störung erst von der Kammer und dann vom Verfahren ausgeschlossen. Stolz strebt indessen unter anderem einen „Hochverratsprozess nach dem Reichsstrafgesetzbuch“ gegen den Kammervorsitzenden Ulrich Meinerzhagen an. Der rechtsextremistische Advokat Ludwig Bock aus Mannheim forderte am vergangenen Freitag die Sichtung einer Videokassette, die Zündel im Gespräch mit einem Juden zeige – zum „Beweis“ dafür, dass sein Mandant „kein Antisemit“ sei. Bock wollte seinen Antrag verlesen. Das Gericht hatte allerdings schon vor Monaten beschlossen, Anträge erst dann zum mündlichen Vortrag freizugeben, wenn sie dem Gericht vorher schriftlich vorgelegt werden. Die Kammer will so verhindern, dass die rechtsextremistische Advokatengarde ihre Antragsbegründungen – wie in der Vergangenheit wiederholt vorgekommen – zur Propagierung ihrer revanchistischen Thesen nutzt und dabei selbst den Holocaust leugnet. Erst mit Hilfe der Polizei konnte Bock umgestimmt werden. Business as usual im laufenden Verfahren, in dem auch schon einmal beantragt worden war, den Prozess bis zur Auswertung der Ergebnisse der „Holocaust-Konferenz“ in Teheran auszusetzen oder den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, respektive seinen Amtskollegen Hugo Chávez aus Venezuela zum Beweis dafür vorzuladen, „dass der Holocaust nicht stattgefunden hat“. Zuletzt wollte Schaller einen „Physiker“ aus den USA laden lassen, der den Nachweis dafür erbringen werde, dass in Auschwitz keine Spuren von Giftgas gefunden worden seien.

Zuletzt lehnte das Gericht alle Anträge mit der lapidaren – und für einige Antifaschisten im Publikum schockierenden – Begründung ab, dass es völlig unerheblich sei, ob der Holocaust stattgefunden habe oder nicht. Seine Leugnung stehe in Deutschland unter Strafe. Und nur das zähle vor Gericht. „Die Demokratie muss das aushalten können“, dozierte ein Jurastudent später im Foyer des Gerichtsgebäudes.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT