: Klimakonferenz bringt doch was
Die großen Entscheidungen fielen in Nairobi erwartungsgemäß nicht. In Detailfragen aber konnten durchaus Erfolge erzielt werden. Für Irritationen sorgte kurz vor dem Ende Belarus: Diktator Lukaschenko will auch am Emissionshandel teilnehmen
AUS NAIROBI NICK REIMER
Wenige Stunden vor Abschluss kam noch einmal Bewegung in die Weltklimakonferenz. Aus Verhandlungskreisen hieß es, eine Einigung über den Vorschlag, 2007 mit verbindlichen Verhandlungen zum Post-Kioto-I-System ab 2013 zu beginnen, stehe kurz bevor.
Zuvor hatte Belarus für einen Paukenschlag gesorgt. Das Land von Präsident Lukaschenko beantragte, in die Reihe der Annex-B-Länder aufgenommen zu werden. Das sind jene Länder, die zwar nicht so hoch entwickelt sind wie die Industriestaaten im Annex A, sich aber trotzdem ein festes Reduktionsziel geben wollen. Der Vorteil: Als Annex-B-Land kann man am Emissionshandel teilnehmen.
„Das ist natürlich ein Problem“, sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Nicht so sehr wegen der undemokratischen Politik des Präsidenten, „nicht jedes Annex-Land ist demokratisches Vorbild“. Schwierig sei der Antrag, weil Belarus durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch heute deutlich weniger Kohlendioxid in die Luft bläst als im Kioto-Basisjahr 1990. Bedeutet: Belarus könnte jede Menge Verschmutzungsaktien auf den Markt bringen, und so die Preise drücken. Trotzdem galt am Abend als sicher, dass mit Belarus Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden sollen.
Auch Russland sorgte für ein Problem. In der Debatte um neue Reduktionswege – nun auch für Schwellenländer – hatte die Delegation von Klimachef Alexander Bedritsky vorgeschlagen, jedes Mitglied solle freiwillige Reduktionsziele ins Protokoll schreiben dürfen. Das lehnten die Länder der G 77 bis Redaktionsschluss ab.
Bleiben also bis dato drei Ergebnisse: Der Klima-Folgen-Anpassungsfonds für arme Länder, die Bereitschaft der Industrieländer, ihre Klimabemühungen überprüfen und bewerten zu lassen, und drittens ein Programm zum Aufbau von Frühwarn- und Wissenschaftssystemen – Wetterstationen etwa oder agrotechnische Institute für den Wandel in der Landwirtschaft.
So viel immerhin stand gestern fest: Die nächste UN-Klimakonferenz findet 2007 in Indonesien statt. Und eines der Themen, die bis dahin zu bearbeiten sind, muss RWE, Enercon und Co einen ziemlichen Schrecken einjagen: Die Entwicklungsländer fordern von den Industriestaaten die Herausgabe ihres technologischen Know-hows. „Es kann doch nicht sein, dass uns die Annex-A-Staaten zuerst das Klimaproblem exportiert haben, um uns dann ihre Windräder exportieren zu wollen“, begründet ein Vertreter der G 77. Nein: Wenn schon, wolle man selbst von der Wertschöpfung profitieren.
Dazu allerdings bräuchten sie die Technologien. Industriestaaten sollen demnach Geld in einen Fonds zahlen, um dann den Firmen in ihren Länder die Patente für moderne Energieanlagen abzukaufen. Die sollen dann interessierten Staaten kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Gabriel öffnete gestern noch einmal die Schatztruhe: „Deutschland zahlt in diesen Fonds 24 Millionen Euro extra ein. Das ist zwar nur halb so viel, wie von der taz gefordert, aber Italien und Polen haben bereits erklärt, dem Beispiel folgen zu wollen“, erklärte der Minister. Angeblich sollen so Kredite von über einer Milliarde Euro abgesichert werden können.
Aber genau das ist das, was etwa die Afrikaner so misstrauisch macht: deutsche Arbeitskräfte, die deutsche Windräder bauen, mit deutschen Krediten finanziert – so was habe ihnen noch nie etwas gebracht. „Moralisch“, sagt Christoph Bals, Geschäftsführer von Germanwatch, „hat diese Argumentation natürlich etwas für sich. Das ist aber eine moralisch-ökonomisch-politische Frage“. Schließlich sei es ebenso unmoralisch, geistiges Kapital von Unternehmern zu enteignen.
Germanwatch hält dagegen ein anderes Modell für überlegenswert: Die reichen Industriestaaten könnten einen Lizenzfond gründen, der die Gestattungsproduktion finanziert. Vor Ort könnte China dann „in deutscher Lizenz“ Windräder bauen, die Lizenzkosten kämen aus dem Fonds. Allerdings fürchten deutsche Firmen gerade das: Binnen kürzester Zeit sei das eigene Produkt kopiert.
Trotzdem beharren die Schwellenländer auf ihrer Forderung. Und sie haben beste Argumente: Die Internationale Energieagentur präsentierte in Nairobi die neuesten Emissionszahlen. Demnach liegt der weltweite Ausstoß von Klimakillern heute 28 Prozent über dem von 1990. Während die Industriestaaten versuchen, ihre Emissionen zu vermindern, explodieren sie in den Entwicklungsländern.