: Sieben Monate Bayern
FREISTAAT Betrug und Bestechung. Justizopfer, Drogenhandel, schießwütige Polizisten. Und immer wieder die CSU. Im Süden der Republik häufen sich die Fälle von … äh … Brauchtum? Eine Chronik
VON LISA SCHNELL UND MARTIN REEH
7. Januar: Die CSU-Landesgruppe im Bundestag beschließt in Wildbad Kreuth ein Papier gegen die Zuwanderung aus Südosteuropa: „Wer betrügt, der fliegt“, heißt es darin. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt weist Vorwürfe zurück, die CSU betreibe die Politik von Rechtspopulisten.
7. Januar: 79 bayerische Abgeordnete, die Verwandte als Mitarbeiter mit Staatsgeld versorgt haben, müssen keine Rückzahlungsforderungen fürchten, erklärt Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU).
7. Januar: Die EU-Kommission kritisiert die Mautpläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Sie sieht das Prinzip der Nichtdiskriminierung in Gefahr, da die Pkw-Maut nur Ausländer belasten soll.
23. Januar: Die CSU hält an ihrem Landratskandidaten Jakob Kreidl in Miesbach fest. Er hatte seine Frau mit 1.500 Euro im Monat auf Staatskosten versorgt und sich seinen Doktortitel erschummelt.
27. Januar: Der Prozess gegen sieben ehemalige Vorstände der BayernLB beginnt in München. Ihnen wird vorgeworfen, die marode österreichische Hypo Alpe Adria 2007 viel zu teuer gekauft und alle Risiken missachtet zu haben. Die BayernLB musste mit mehr als 3 Milliarden Euro Steuergeldern gerettet werden.
30. Januar: Bei einer Drogenrazzia in München schießt ein Polizist einem Mann in die Hand. Der Beamte hatte angeblich etwas Schwarzes in der Hand des Opfers gesehen. In der Wohnung des Mannes wurden weder Waffen noch Drogen gefunden.
10. Februar: Das Miesbacher Landratsamt gibt bekannt: Eine Geburtstagsfeier ihres Landrats Jakob Kreidl hat 120.000 Euro gekostet. Im Kreishaushalt wurde die private Feier des Politikers mit 25.000 Euro als „Öffentlichkeitsarbeit“ verbucht, die Sparkasse übernahm 77.000 Euro.
22. Februar: Der Leiter der Drogenfahndung in Kempten ist laut Augsburger Allgemeiner wegen Besitzes von 1,5 Kilogramm Kokain im Wert von 250.000 Euro verhaftet worden. Seine Ehefrau soll die Polizei nach einem Streit informiert haben.
25. Februar: Der SPD-Landtagsabgeordnete Harald Güller wird als erster Abgeordneter in der Verwandtenaffäre zu 27.000 Euro Strafe verurteilt. Güller hatte seinen Stiefsohn zwei Monate lang auf Staatskosten angestellt.
25. Februar: Gegen Landrat Kreidl gibt es neue Vorwürfe wegen eines Schwarzbaus an seinem Haus. Er kündigt an, sein Amt nach der Kommunalwahl aus „gesundheitlichen Gründen“ nicht anzunehmen.
10. März: Das Verfahren gegen FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung beginnt. Mit jedem Prozesstag steigt die Steuerschuld. In der Anklageschrift war von 3,5 Millionen Euro die Rede, am ersten Prozesstag überraschte Hoeneß mit einem Geständnis, es seien 18,5 Millionen. Am Ende wird er wegen Hinterziehung von 28,5 Millionen Euro zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.
16. März: Bei den Kommunalwahlen holt die CSU ihr schlechtestes Ergebnis seit 1960. Bei den Stadtrats- und Kreistagswahlen kommt sie nur auf 39,7 Prozent.
14. April: In München beginnt der Prozess gegen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone. Er soll den früheren BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky mit 44 Millionen US-Dollar bestochen haben, damit der einen Landesbankanteil an einen Investor verkaufte.
2. Mai: Uli Hoeneß kündigt auf der Mitgliederversammlung des FC Bayern unter starkem Beifall seine mögliche Rückkehr nach der Haft an: „Das war’s noch nicht“, sagt er. Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) umarmt Hoeneß.
5. Mai: Das Handelsblatt berichtet vom Fall Schottdorf: Die Justiz soll Tausende Ärzte geschont haben, die bei einem betrügerischen Abrechnungssystem des Laborunternehmers Bernd Schottdorf beteiligt waren.
14. Mai: Ein Brief von CSU-Vize Peter Gauweiler, zugleich Schottdorfs Anwalt, wird bekannt. Er soll dem Chef des Landeskriminalamtes nahegelegt haben, gegen einen LKA-Beamten Ermittlungen einzuleiten, der weitere Ermittlungen im Fall Schottdorf gefordert hatte. Gauweilers Wunsch wurde entsprochen.
24. Mai: Ein Flüchtling aus dem Kosovo randaliert in der JVA Landshut. Er saß im Gefängnis, weil er bei seiner Abschiebung nach Ungarn eine Stewardess als Geisel genommen hatte. Acht JVA-Beamte fixieren ihn am Boden. Er erleidet einen Herzstillstand und stirbt.
25. Mai: Die CSU fährt bei der Europawahl ihr schlechtestes Ergebnis bei einer landesweiten Wahl seit 60 Jahren ein: 40,5 Prozent. Parteichef Horst Seehofer schließt personelle Konsequenzen für sich selbst aus.
2. Juni: Uli Hoeneß tritt seine Haft in der JVA Landsberg an.
13. Juni: Bayern droht mit Widerstand im Bundesrat bei der Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft, falls die geplante Verschärfung des Asylrechts für Menschen aus Serbien, Mazedonien und Bosnien scheitert.
1. Juli: Der bayerische Landtag setzt einen Untersuchungsausschuss im Fall Schottdorf ein.
15. Juli: Peter Gauweiler, CSU-Parteivize und Anwalt von Schottdorf, versucht den Untersuchungsausschuss durch eine Verfassungsbeschwerde zu stoppen. Der Ausschuss wird Fragen, die Schottdorf betreffen, deshalb erst einmal nicht behandeln.
7. Juli: Vor dem Landgericht Regensburg beginnt das Wiederaufnahmeverfahren gegen Gustl Mollath. Das mutmaßliche Justizopfer war 2006 wegen angeblicher Wahnvorstellungen zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen worden.
13. Juli: Deutschland wird Fußball-Weltmeister. Die Bayernpartei kontert: Die Mannschaft sei „zu einem ganz erheblichen Anteil auch eine bayerische“. Dass „die bayerischen Verdienste gerne unter den Tisch“ fallen, sei man allerdings gewohnt. Die Konsequenz: eine bayerische Fußball-Nationalmannschaft!
13. Juli: Bastian Schweinsteiger sagt nach dem WM-Titel: „Großen Dank an Uli Hoeneß. Ohne den wären wir nicht hier.“
15. Juli: Die Eltern von Tennessee Eisenberg scheitern vorm Bundesverfassungsgericht. Vor fünf Jahren schossen Polizisten in Regensburg 16 Mal auf ihren Sohn, weil der Student sie mit einem Messer bedroht haben soll. Die Regensburger Staatsanwaltschaft lehnte damals eine Anklage gegen die Beamten ab, nun auch das Verfassungsgericht.
20. Juli: In der CSU bricht Streit über die Pkw-Maut aus. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann fordert Ausnahmen in den Landkreisen der Grenzregionen. Seehofer kontert: Es sei nicht notwendig, dass jemand in Interviews „seinen Senf dazugibt“.
21. Juli: Uli Hoeneß könnte schon in wenigen Wochen zum Freigänger werden, meldet dpa.
25. Juli: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen den früheren CSU-Landtagsfraktionschef Georg Schmid – auch „Schüttel-Schorsch“ genannt. Er soll seine Frau 22 Jahre als scheinselbständige Sekretärin im Abgeordnetenbüro beschäftigt und dadurch mindestens 340.000 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen hinterzogen haben.
26. Juli: In Burghausen erschießt die Polizei einen Mann, der wegen eines Drogendelikts gesucht wurde. Der Schütze sagt, er habe auf die Beine gezielt, versehentlich aber den Kopf getroffen.
27. Juli: CSU-Chef Horst Seehofer knüpft den Fortbestand der Großen Koalition an die Einführung der Pkw-Maut für Ausländer.
29. Juli: Im Ecclestone-Verfahren deutet sich ein Deal an. Die Verteidigung will 25 Millionen Euro an die BayernLB zahlen, wenn das Verfahren eingestellt wird. Man könne sich „grundsätzlich mit einem solchen Angebot anfreunden“, äußert sich ein Anklagevertreter.
29. Juli: Die Staatsanwaltschaft will gegen Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) wegen Verdacht des Betrugs ermitteln. Seehofer hält an ihr fest.