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Archiv-Artikel

„Die werden gefüttert“

MAFIA Ein Vortrag erläutert den Einfluss organisierter Wirtschaftskriminalität

Von MNZ
Jürgen Roth

■ widmet sich als Autor und Publizist schwerpunktmäßig dem Phänomen der Organisierten Kriminalität.

taz: Wie aktiv ist die Mafia in Deutschland, Herr Roth?

Jürgen Roth: Wenn man dabei an die Clans der italienischen Mafia denkt – die sind natürlich in Deutschland aktiv, aber man kann das nicht mit der Situation in Italien vergleichen. Im Gegensatz zu osteuropäischen kriminellen Gruppen hat die italienische Mafia in Deutschland weder politisch noch wirtschaftlich großen Einfluss.

Wie viel setzt die organisierte Wirtschaftskriminalität um?

Schätzungen gehen von einem Schaden für die deutsche Volkswirtschaft von jährlich 80 bis 100 Milliarden Euro aus.

Um welche Geschäftsfeldern geht es da?

Bei Mafia denkt man zunächst an Drogenhandel. Aber sie spielen auf der gesamten Klaviatur der Wirtschaftskriminalität von Anlage- und Bilanzbetrug über Geldwäsche und Frauenhandel bis hin zu illegaler Arbeitnehmerüberlassung oder Subventionsbetrug. Der Unterschied zwischen den legalen und den illegalen Strukturen ist inzwischen ziemlich verschwunden.

Werden die Organisationen dabei politisch unterstützt?

Natürlich. Russische kriminelle Organisationen etwa werden nicht nur in ihrem Heimatland gefüttert, sondern auch hier, zum Teil von führenden Politikern und Chefs von Wirtschaftskonzernen. Die deutsche Politik ist zwar nicht unterwandert, aber oftmals naiv. Wer Gazprom als rein kapitalistisches Unternehmen sieht und nicht die Verbindungen ins kriminelle Milieu, der muss blind sein.

Was müsste getan werden?

In den letzten 25 Jahren sind die Organisationen größer und mächtiger geworden, aber bei der Polizei und Staatsanwaltschaft werden die Resourcen eingedampft. Die Gerichte sind zum Teil blind. Und ich fürchte, dass das Bewusstsein dafür, was organisierte Kriminalität für eine demokratische Gesellschaft bedeutet, bei der politischen Elite aus verständlichen Gründen nicht sehr ausgeprägt ist. INT.: MNZ

19.30 Uhr, Überseemuseum