„Keine Distanz“

BILDSPRACHE Eine Ausstellung zeigt den Wandel des Fotojournalismus in den Nachrichtenmedien

■ 36, ist Kunsthistoriker und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sammlung Fotografie im Museum für Kunst und Gewerbe.

taz: Herr Schumacher, gibt es einen Wandel im Fotojournalismus?

Sven Schumacher: Vor der Nachkriegszeit gehen Fotoreporter auf Reisen. Sie sind in China, der Sowjetunion und Afrika unterwegs und fotografieren fremde Kulturen. In der Nachkriegszeit gibt es dann einen Wandel zum Aktuellen. Das heißt, Fotojournalisten sind bei Kriegen und Konflikten direkt vor Ort. Sie versuchen ab den 1960ern immer mehr tagesaktuell zu berichten.

Welche Bedeutung hat die Fotografie für den Journalismus? Bilder sollen zwei Aufgaben erfüllen: sie sollen zum einen ein Dokument sein, zum anderen sollen sie den Betrachter emotional so berühren, dass er sich entscheidet zu handeln.

Zu handeln? Wie meinen Sie das?

Wir zeigen zum Beispiel Bilder, auf denen Frauen auf einer Demonstration gegen Polizeigewalt Fotos hoch halten, auf denen Gewaltaktionen vorhergehender Demonstrationen zu sehen sind. Hier wird die Idee, das Bilder etwas in Bewegung bringen können, deutlich.

Bilder müssen also emotionalisieren?

Ja, das ist eine Strategie, die dem Bildjournalismus vorgehalten wird: Die Fokussierung auf Opfer und das Darstellen emotionsgeladener Bilder. Kritiker zweifeln, ob diese Emotionalisierung dem Zweck dienlich ist und beklagen, dass Ursachen außen vor gelassen werden.

Welcher Strategien bedienen sich die Fotografen?

Es gibt zum Beispiel eine Herangehensweise, bei der die Fotografen versuchen, ästhetische Bilder zu machen und auf Form und Komposition achten. Dabei lassen sie für das Gezeigte durchaus Interpretationsräume offen. Sie fotografieren nicht die pure, nackte Gewalt. Das Konzept der totalen Fotografie hingegen tut genau dies. Hier wird direkt auf Gewalt, Krankheit oder Leid draufgehalten. Die Kamera soll keine Distanz halten. Für beide Strategien haben wir in der Ausstellung Beispiele ausgesucht.

Und die Fotografen?

Sie alle verbindet der Glaube an die positive Macht der Bilder. So lässt sich auch ein Ausspruch des Fotografen Thomas Hoepker verstehen. Der sagte, er möchte mit seinen Fotos nichts verfälschen. Er verstehe sie als authentische Dokumente, er wolle auch keine Sensation schaffen, aber sein Ziel sei es, etwas in Bewegung zu bringen. INTERVIEW: KEILA ECKERLEBEN SCHMITZ

„Das engagierte Bild – Die Sammlung Fotografie im Kontext“: ab heute, Museum für Kunst und Gewerbe. Bis 18. Januar 2015