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Archiv-Artikel

„Ich denke, dass das Abkommen ein enormer Fortschritt ist“

Die Einigung mit Nordkorea bedeute keine späte Einsicht der US-Regierung. Sie ermögliche aber ein schärferes Vorgehen gegen den Iran, glaubt der Korea-Experte Bruce Cumings

taz: Mr. Cumings, am Montag sah es in Peking noch nach einem Scheitern der Atomgespräche aus. Hat Sie die Einigung überrascht?

Bruce Cumings: Überrascht hat mich vor allem, dass sich die Amerikaner bewegt haben. Die anderen fünf Parteien, auch Nordkorea, haben sich schon lange für ein Abkommen eingesetzt. Nordkorea hat bereits in den 90ern gezeigt, dass es für Hilfslieferungen und bessere Beziehungen zu den USA seine Plutoniumreaktoren aufgeben würde.

Hat nicht auch Nordkorea das 1994er Abkommen, in dem es sich zur Einfrierung seines Atomprogrammes verpflichtet hatte, verletzt?

Das ist eine Frage des Standpunktes. Aus nordkoreanischer Sicht wurde das Abkommen nicht gebrochen, weil es sein existierendes Atomprogramm im Austausch gegen Leichtwasserreaktoren eingefroren hatte. Tatsächlich waren ja acht Jahre lang internationale Beobachter im Land. Nordkorea warf jedoch den USA vor, die versprochenen Lieferungen nie im versprochenen Umfang erfüllt zu haben. Pjöngjang begann 1998, angereichertes Plutonium und Technologie für ein weiteres Nuklearprogramm einzukaufen. Die Clinton-Regierung wusste das, blieb aber auf dem Standpunkt: Wir kümmern uns erst mal um die Reaktoren, weil sie die Hauptquelle für waffenfähiges Plutonium sind, und erreichen eine Einigung, was mögliche Trägerraketen angeht.

Nach dem Atomtest im Oktober wurde ein neues Wettrüsten in Ostasien befürchtet. Verheißt das neue Abkommen Entspannung?

Chinas Aufrüstung ist eher dem generellen Wunsch nach wachsendem regionalen Einfluss geschuldet. Auch in Südkorea, das ja sehr moderat auf den Atomtest der Nordkoreaner reagiert hatte, folgt die Aufrüstung wohl eher dem weltweiten Trend. In Japan haben rechtskonservative Politiker, die die Militarisierung des Landes vorantreiben wollen, in der Tat enormen Auftrieb bekommen. Eines der positiven Auswirkungen des gestern geschlossenen Abkommens könnte sein, dass sich dort die Hysterie wieder ein wenig legt.

Das Problem der bereits vorhandenen Nuklearwaffen wird in dem Abkommen aber doch gar nicht behandelt.

Wir wissen wirklich noch nicht, was das Abkommen in dieser Hinsicht bringen wird. Bislang heißt es nur, dass darüber später verhandelt wird. Aber selbst wenn das der Fall sein sollte: In einem Land wie Nordkorea ist es leicht, den Großteil der sieben, acht Atomwaffen, die das Land möglicherweise hat, zu verstecken. Sie könnten durchaus zwei, drei abgeben und sagen: „Das war alles, was wir haben.“ Ich denke aber dennoch, dass das Abkommen ein enormer Fortschritt ist. Über mehr kann man später reden. Wir sehen ja, dass der „Alles oder nichts“-Anspruch, wie ihn die Bush-Regierung jahrelang hatte, zu nichts geführt hat.

Kritiker sagen, Kim Jong Il würde nun für seine Drohgebärden belohnt. Was verheißt diese vermeintliche „Belohnung“ für den Konflikt zwischen USA und Iran?

Es wäre fatal, Nordkorea als Gewinner der Gespräche zu sehen. Pjöngjang kann nicht mehr an seinem Atommachtstatus festhalten. Der Vertrag zielt auf eine Normalisierung der Beziehungen, wie sie bereits in den 90er-Jahren durch die Clinton-Regierung erreicht worden war. Man könnte nun sagen, dass sich mit der Rückkehr zu diesem Kurs das Außenministerium gegen Dick Cheney und die Neokonservativen durchgesetzt hat. Ich bin da skeptisch, weil ich glaube, dass diese Kehrtwende mehr mit dem Iran zu tun hat als mit später Einsicht. Ich befürchte, die Einigung mit Nordkorea wird dazu benutzt, in Bezug auf Iran einen konfrontativeren Kurs zu fahren.

INTERVIEW: ANETT KELLER