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Archiv-Artikel

Krebskranke schildern Schlamperei in Asse

STRAHLUNG Wie nachlässig der Umgang mit Atommüll in der Asse war, ist kaum zu glauben: Vor 20 Jahren, als erste Probleme auftraten, wurde die Gefahr offenbar nicht erkannt oder nicht ernst genommen

„ Uns wurde immer gesagt, dass es keine Belastungen gibt“

ECKBERT DURANOWITSCH

Die Arbeitsbedingungen im maroden Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel sind nach den Schilderungen früherer Mitarbeiter mehr als abenteuerlich gewesen. Zum Abschluss der Zeugenbefragungen im Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtages haben zwei ehemalige Beschäftigte am Donnerstag Details berichtet. Schutzkleidung trugen die Männer bei ihrer Arbeit nicht, auch regelmäßige Strahlenmessungen gab es bei ihnen nicht – und Absperrungen mit dem Radioaktivitäts-Warnzeichen wurden unter Tage einfach umfahren.

Eckbert Duranowitsch (48), der von 1987 bis 1990 in der Asse als Maschinenschlosser arbeitete, erkrankte neun Jahre später an Blutkrebs. Aus heutiger Sicht wirke das damalige Verhalten der Beschäftigten sehr sorglos. „Das hört sich im Nachhinein alles sehr naiv an, aber uns wurde immer gesagt, dass es keine Belastungen gibt.“ Duranowitsch erhebt schwere Vorwürfe gegen die damals Verantwortlichen: „Es war gewissen Leuten bekannt, dass wir es mit hochgradig kontaminierten Laugen zu tun hatten, aber diese Dokumente sind nicht an die Mitarbeiter unter Tage gegangen.“ Keiner der Beschäftigten habe Dosimeter zur Messung der Strahlenbelastung getragen, mit Ausnahme des Aufsichtspersonals und der Öffentlichkeitsmitarbeiter.

Thomas Jung vom Bundesamt für Strahlenschutz sagte, der Betreiber des Atommülllagers habe 1978 für die Mitarbeiter die Pflicht aufgehoben, stets Dosimeter zu tragen. Jung ist Leiter der Gruppe, die in staatlichem Auftrag ein Gesundheits-Monitoring durchführt, um Erkenntnisse zu gewinnen, ob die Asse-Beschäftigten unter einem erhöhten Krebsrisiko leiden. Seine Methodik wird jedoch stark kritisiert. Jung sagte, die abgeschätzte Strahlenbelastung in der Asse sei zu gering gewesen, um nachweisbar Krebserkrankungen auslösen zu können. Es sei aber nicht auszuschließen, dass es im Einzelfall zu höheren Belastungen gekommen sei, die nicht dokumentiert worden seien. (dpa)