: „Es geht darum, Ventilation zu betreiben“
Im Kampf um Rauchverbote in Gaststätten verspricht die Tabakindustrie eine Lösung, die alle zufriedenstelle: Nichtraucherschutz durch Technik
BERLIN (taz) ■ Wenn der Verband der Cigarettenindustrie VDC in seinen Berliner Clubraum einlädt, dann darf mit Lust geraucht werden. HB, Benson & Hedges, Marlboro, rote Gauloises – ein Tellerchen mit Gratiszigaretten steht bereit, und die Journalisten und Politiker greifen gerne zu. Nur eines ist seltsam: Die Luft ist frisch und rein wie in den Alpen. Das liegt an einer diskreten, aber leistungsstarken Belüftungsanlage. Sie sorgt dafür, dass niemand auf die Idee kommt, Qualm beim Essen und Trinken sei ein Problem.
Zurzeit ringen die Bundesländer um einen bundeseinheitlichen Nichtraucherschutz in Kneipen, Restaurants und Discos. Die Positionen sind unterschiedlich, dringend gesucht ist ein Kompromiss, mit dem alle zufrieden sein können. Warum nicht die Technik zur Hilfe nehmen? „Den Rauch vertreiben, nicht die Raucher!“, heißt es in einem Argumentationspapier, das die Industrie an Politiker verschickt: „Ein angemessener Interessenausgleich ist die Herstellung geeigneter Luftqualität durch technische Lösungen.“
Bei British American Tobacco BAT in Hamburg kümmert sich Stephan Rack um dieses Thema. „Was stört, ist der Rauch, nicht die Raucher“, sagt auch er. „Es geht darum, Ventilation zu betreiben.“ Die Lucky-Strike-Hersteller haben in Hamburg-Wedel ein Restaurant mit dieser Lösung aller Lösungen ausgestattet. 15.000 Euro schenkten sie dem Wirt, um seine Lüftung aufzurüsten. 16 Liter Frischluft pro Person und Sekunde gelangen so in den Raum. „Wenn Menschen neben Ihnen rauchen, merken Sie das nicht“, sagt Rack. „Selbst die Bedienung sagt: Ich rieche nach der Arbeit nicht mehr nach Rauch.“ Klingt nach einer genialen Errungenschaft. Dazu passt, dass das Restaurant ausgerechnet „Einstein“ heißt.
Auch die Anlagenbauer erzählen diese Erfolgsstory. „Uneingeschränkte Rauchverbote unnötig!“, heißt es in Briefen der „Interessengemeinschaft Technischer Nichtraucherschutz“ an Politiker. Es sei möglich, räumlich oder durch Luftsteuerung eindeutig abgegrenzte Raucherbereiche zu schaffen und die Belastung durch Tabakrauch zu vermeiden. Deutschland könne anderen Ländern ein Beispiel geben, wie moderne Technik effektiven Schutz vor Passivrauchen ohne flächendeckende Rauchverbote bringen könne. Vom Bummelletzten zur führenden Nation – was für eine Aussicht!
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg ist da skeptischer. Diese Woche stellten die Wissenschaftler ein Gutachten zur Wirksamkeit lüftungstechnischer Anlagen fertig. Das Ergebnis ist ernüchternd: Ventilations- und Filtrationssysteme seien nicht in der Lage, schadstofffreie Innenraumluft zu garantieren.
Die Krebsforscher berufen sich auf Untersuchen in den USA. 2003 und 2006 haben Wissenschaftler dort die Luft in Räumen mit Lüftungs- und Filteranlagen gemessen. „Selbst modernste Ventilationssysteme können die gefährlichen Inhaltsstoffe des Tabakrauchs nicht vollständig aus der Raumluft eliminieren.“ Hier weicht das Gutachten kaum von der Selbstdarstellung der Technikfirmen ab: „Belüftungstests beispielsweise in den Niederlanden haben ergeben, dass eine Reduktion von Schadstoffen in der Luft um bis zu 90 Prozent möglich ist.“
Doch die Forscher warnen, dass es für die im Tabakrauch enthaltenen Verbindungen keine Wirkungsschwelle gibt. „Das heißt, auch das Einatmen kleinster Konzentrationen geht mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko einher“, so das DKFZ. Genau wie Ventilationssysteme seien auch zentrale und lokale Filteranlagen nicht imstande, die Giftstoffe des Tabakrauchs zu entfernen. Anders ausgedrückt: Das technische Versprechen stinkt.
GEORG LÖWISCH