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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Tolle Idee, dieser „Investivlohn“: weniger Lohn, dafür aber den Kopf hinhalten, wenn die Firma pleite geht. Dabei wusste schon Lassalle: „Jede Lohnerhöhung holt sich der Kapitalist durch Preiserhöhung hintenrum wieder rein“

Von SR
Merkel weiß, was Führung bei einem so widersprüchlichen Gebilde wie der CDU heißt: andere, die führen wollen, schön vor die Wand laufen zu lassen

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Ein Kollege in einer Behörde zeigte, dass Horst Köhler auf dem offiziellen Präsidenten-Amtsstuben-Foto eine hellblaue Krawatte mit dem Logo der Deutschen Bank trägt.

Was wird besser in dieser?

Deutsche Bank übernimmt Präsidenten-Apanage offiziell.

Heute findet in Dresden der CDU-Parteitag statt. Angela Merkel führt zu wenig und lässt zu viel laufen, meinen einige. Stimmt das?

Merkels Definition „christlich-sozial, wirtschaftsliberal und wertkonservativ“ beschreibt die drei Parteien, die die Union in erfolgreichen Phasen stets war. Spätestens mit dem Merz-Kirchhoff-Desaster der Bundestagswahl hat sie gelernt, dass bei einem so widersprüchlichen Gebilde Führung heißt: andere, die führen wollen, schön vor die Wand laufen zu lassen.

Jürgen Rüttgers versucht sich als Erbe des in Vergessenheit geratenen Arbeitnehmerflügels der CDU zu inszenieren. Ist das nur Show – oder echt?

… und Köhlerhotte als Wiedergänger der in Vergessenheit gewählten FDP-Regierungsbeteiligung. Vom Amok in einer Schule bis zum „Germans to the front“ in Afghanistan hätte eine moralische Instanz derzeit reichlich zu tun – wenn Köhler eine wäre. Rüttgers dagegen ist clever, will lieber Düsseldorf erneut gewinnen als gegen Merkel verlieren, wie es die dienstälteren MPs tun.

Merkel will den „Investivlohn“ forcieren – die Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital. Ist das richtig?

Lassalle! „Ehernes Lohngesetz“! „Jede Lohnerhöhung holt sich der Kapitalist durch Preiserhöhung hintenrum wieder rein“: Neben die – oder gar an die Stelle der – Tarifpolitik wollte die frühe Arbeiterbewegung den Mitbesitz an den Produktionsmitteln und die genossenschaftliche Idee stellen. Das hat der DGB in ganz großem Stil desavouiert, Stichwort Neue Heimat et al., und nun kommt der gemeuchelte Gedanke als Zombi zurück: weniger Lohn, dafür aber den Kopf hinhalten, wenn die Firma pleite geht. Betrachtet man hingegen Beispiele wie Mannesmann, Benq/Siemens oder Opel, darf man schon fragen, was denn bitte die Belegschaft noch dümmer hätte anstellen sollen als die Manager. Mir fällt da nichts ein, außer dass der Spiegel dann ein paar Titelseiten über die Unfähigkeit der Gewerkschaftsbonzen machen wird. Das Blatt ist übrigens dank der weisen Führung seines verstorbenen Herausgebers zur Hälfte im Besitz der Belegschaft und damit wirtschaftlich enorm erfolgreich.

Manche Jüngere bei CDU, Grünen und FDP streben eine Jamaika-Koalition an, wenn die große Koalition scheitert. Ist das realistisch? Oder bloß die Fortsetzung des wohlbekannten Schwarz-Grün-Palavers?

Gratulieren wir uns zu einer Opposition, der nicht mehr einfällt, als dass sie mitmachen möchte.

Die Grünen debattieren am Wochenende in Köln über das Grundeinkommen. Ist das eine gute Idee?

Süß! CDU-MP Dieter Althaus hat das auch vorgeschlagen, wofür die hessischen Grünen allerdings die Denkarbeit reklamieren, allerdings konzedieren, dass es dem FDP-„Bürgergeld“ ähnele, während die SPD das schlimm findet, was die SPÖ gerade als „Mindestsicherung“ in Österreich eingebracht hat. Der Vorschlag changiert von Schlaraffenland bis Dukaten unters Präkariat werfen, fasziniert aber in einem: den kaputt reformierten Sozialstaat grundlegend und verständlich neu zu erfinden.

Haben die Grünen die Krise, in der sie seit der Abwahl von Rot-Grün steckten, inzwischen überwunden?

Nein.

Der Prozess gegen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wird wohl eingestellt. Zu Recht?

Auf insgesamt 57 Millionen „Sonderzahlungen“ wollen die Jungs jetzt 5,8 Millionen Geldbuße zahlen. Heißt für die die nächste Generation der Mit-Esser: bei Korruptionsboni immer vorbeugend 10 Prozent Gerichtskosten zusätzlich einstecken. Richtige Arschlöcher pissen in den Dorfbrunnen und rufen „Herr Wachtmeister, bitte zahlen“. Sieht das Gericht ab, dass die Rechtsmittel nicht ausreichen, soll es mit fliegenden Fahnen vor die Wand verhandeln, statt den Rechtsstaat zum Trinkgeldempfänger zu degenerieren. Im Ergebnis fallen diese Zahlungen unter „illegale Parteienfinanzierung“ für die NPD.

Und was macht Borussia Dortmund?

Verhandelt mit der Stadt Dortmund, eine Straße am neuen Trainingsgelände nach dem von den Nazis hingerichteten BVB-Platzwart Heinrich Czerkus zu benennen. Ein KP-Stadtrat, der – klammheimlich gedeckt und geduldet – auf Vereinsgerätschaften Widerstandsflugblätter druckte. FRAGEN: SR