: Das sind die Skeptiker
800 bis 1.000 Euro für jeden – egal, ob man arbeitet oder nicht: Die Gewerkschaften sind die schärfsten Kritiker des bedingungslosen Grundeinkommens. „Das Grundeinkommen wäre die Kapitulation vor der Vorstellung, die Arbeitslosigkeit überhaupt bekämpfen zu können“, sagte Hans-Josef Luckroh, Leiter der Abteilung Sozialpolitik bei der IG Metall, gegenüber der taz. „Egal mit welchem Modell: Das Grundeinkommen würde Arbeit generell entwerten“, sagt Luckroh. Es sei sozialpolitisch „kein integratives Konzept“. Denn: „So geht man mit Leuten um, die man aus dem Arbeitsprozess raushaben will.“ Luckroh bezeichnet das Grundeinkommen als „Stilllegungsprämie“, das nicht dazu diene, „die Potenziale der Menschen zu fördern“.
Ähnlich sieht es Ver.di-Ökonom Michael Schlecht: „Das Konzept hat durchaus Ähnlichkeiten mit der Lebenshaltung eines Vermögensbesitzers. Mir erscheint diese Fixierung auf eine illusionäre absolute Freiheit als das Reklamieren eines Rechts auf gesellschaftliche Verantwortungslosigkeit.“ Ver.di plädiert dagegen für einen allgemeinen, branchenunabhängigen, gesetzlichen Mindestlohn.
Für Luckroh droht sogar die „Zerschlagung des Sozialstaats“ mit all seinen Institutionen. Eine sinnvolle Antwort auf die Notwendigkeit, den Sozialstaat zu reformieren, stelle das Grundeinkommen nicht dar. Darüber hinaus bedrohe es auch den „Kern des gewerkschaftlichen Zuständigkeitsbereichs“ – nämlich die Tarifautonomie.
Einig sind sich die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern. „Das Grundeinkommen wird bei uns nicht diskutiert“, sagte ein Sprecher der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) der taz, „wir sehen Fortentwicklungsmöglichkeiten beim Arbeitslosengeld II.“ Zuletzt forderte die BDA Korrekturen bei Hartz IV und die Abschaffung „leistungsfeindlicher Zuschläge“.
In den Parteien sind Befürworter wie Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) die Ausnahme. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hält Althaus’ Modell für „faszinierend“. Er warnt aber: „Ein Bürgergeld kann auch dazu führen, dass Menschen, die in der zweiten oder dritten Generation von Sozialtransfers leben, sich endgültig aus der Arbeitsgesellschaft zurückziehen.“ Die Grundsatzprogramm-Kommission der CDU habe sich noch keine abschließende Meinung gebildet. Klarer sieht es bei der SPD aus: Für Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales, ist das Grundeinkommen „kein Thema“. Es sei „nicht umsetzbar“ und „nicht konsensfähig“.
Die Grünen diskutieren Ende der Woche das Thema Grundeinkommen auf ihrem Parteitag. Parteichef Reinhard Bütikofer ist jedoch skeptisch: „Wir sind für eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung“, sagte er der taz. Er befürchte, dass „unter dem großen Versprechen für jeden die Leistungen für diejenigen gekappt werden, die mehr brauchen, weil sie besonders hilfsbedürftig sind“. Gerechtigkeit heiße nicht, dass jeder das Gleiche bekomme. Bei Linkspartei.PDS und WASG hat die gemeinsame Programmkommission das Grundeinkommens-Konzept von Katja Kipping abgelehnt. Unter anderem Axel Troost, Vizechef der Linksfraktion, argumentiert, dass ein „Grundeinkommen von 950 Euro plus Mietaufwendungen die gesamten Verteilungs- und Produktionsstrukturen aushebeln würde“.THILO KNOTT, HANNES KOCH