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Archiv-Artikel

Grenzübergreifende Energie

Deutsch-dänischer Bürgerwindpark wird zur Testfläche für den Anlagenhersteller Repower und seine neue 5-Megawatt-Turbine. Zusätzlich ist geplant, die Leistung von insgesamt 32 in ganz Nordfriesland demontierten Altanlagen zu übertragen

VON DIERK JENSEN

Wind macht vor Grenzen nicht halt. Auch nicht die Windenergie, wie der Bürgerwindpark Grenzstrom Vindtved GmbH & Co KG beweist, der als erstes deutsch-dänisches Windenergieprojekt ab Frühjahr 2007 Strom ins Netz einspeisen will. Nach kompletter Errichtung des Windparks nördlich der 130-Seelen-Gemeinde Ellhöft werden sich vier Siemens-Windmühlen à 2,3 Megawatt Leistung und drei 5-Megawatt-Turbinen von Repower nördlich der 130-Seelen-Gemeinde im Wind drehen.

Mehr als 200 Menschen aus der Region, davon 30 aus Dänemark, haben sich an diesem außergewöhnlichen Vorhaben unmittelbar südlich der dänischen Grenze beteiligt. Die Kommanditisten bringen 8 Millionen Euro Eigenkapital in den insgesamt fast 35 Millionen Euro teuren Windpark ein. Einer der Initiatoren ist Reinhard Christiansen. Der Bauernsohn gab den elterlichen Betrieb 1991 auf und engagierte sich als „ein Grüner der ersten Stunde“ fortan verstärkt in der Windenergie. „Wenn man schon hier in der Region bleibt, dann sollte man auch was mit dem Wind machen“, ist die feste Überzeugung des bärtigen Hünen.

Sein Engagement nahm dann mit der Gründung der Windpark Ellhöft GmbH Ende der 90er-Jahre konkrete Gestalt an. Seine Mitstreiter und er brachten im Sommer 2000 schließlich sechs 1,3 Megawatt leistende Windmühlen ans Netz. „Der Park läuft seither rund“, freut sich Christiansen. Die Akzeptanz ist da. Sowohl im Dorf als auch in der Umgebung: Kein Wunder, bringt doch die Windenergie Arbeit, Einkommen und Gewerbesteuer für die kleine Gemeinde in der dünn besiedelten Gegend. Was die Nachbargemeinden schnell wahrgenommen haben. Weil sie auch am Windgeschäft partizipieren wollten, entstand die Idee, gemeinsam mit den Akteuren aus Ellhöft einen neuen Windpark zu bauen. Da aber innerhalb der Gemeinden keine Windvorrangflächen existierten, winkte man von Behördenseite ab. „Nur wenn uns etwas Innovatives einfallen würde, etwa ein deutsch-dänischer Bürgerwindpark auf beiden Seiten der Grenze, hätten wir vielleicht eine Chance, eine Genehmigung zu bekommen“, erinnert er sich Christiansen an die Aussagen aus Kiel.

Wie? Mit den Dänen zusammen was machen? Obwohl er direkt an der Grenze zu Dänemark aufwuchs, kannte Christiansen bis dahin keinen einzigen Dänen, sprach überdies kein Dänisch. Schließlich lernte er bei seiner Suche nach Kooperationspartnern im nächstgelegenen dänischen Dorf Sæd den Biobauern Horst Leithoff kennen, der sich für die Idee sofort begeistern konnte. Leithoff organisierte eine Bürgerversammlung auf dänischer Seite, auf der sich dann fast alle Landeigentümer für den Grenzstrom-Vindtved (GV) Windpark aussprachen. „Macht mal!“, gaben sie ihm auf den Weg.

Nun hätte es eigentlich losgehen können. Doch der nordfriesische Landrat Olaf Bastian wandte sich gegen das 25-Megawatt-Projekt. Allerdings gaben die Ellhöfter Grenzgänger nicht auf. Sie entwickelten neue Ideen. Vindtved sollte nun Testfläche für den Anlagenhersteller Repower und seiner 5-Megawatt-Turbine 5M werden. Zusätzlich ist ein Repowering-Park geplant, indem die Leistung von insgesamt 32 in ganz Nordfriesland demontierten Altanlagen übertragen wird. „Wir machen damit so eine Art Flurbereinigung“, erklärt Christiansen das Modell. Repowering mit positiven Effekten für Landschaftsbild, Testpark und dann noch grenzübergreifend – da konnten die zuständigen Genehmigungsbehörden einfach nicht mehr Nein sagen. Folgerichtig kam im Sommer die Baugenehmigung auf den Tisch.

Die Vorarbeiten für den 25-Megawatt-Windpark sind inzwischen angelaufen. Mittlerweile stehen die beteiligten Gemeinden voll hinter dem Projekt. Peter Max Hansen, Bürgermeister von Westre, spricht von einer „großen, positiven Zustimmung in seiner Gemeinde“. Allen ist klar, dass die kommunale Selbstständigkeit der kleinen Gemeinden ohne eigenes Geld in der Kasse, also ohne Gewerbesteuer aus Windenergie, verlorengeht. Und dass sich in „unserer Grenzregion in nächster Zeit irgendwelche Gewerbebetriebe ansiedeln werden“, hält Hansen für höchst unwahrscheinlich.

Peter Steffens, Geschäftsführer der Windpark Westre GbR, unterstreicht die wirtschaftliche Bedeutung des Grenzwindparks für die Kommunen. „Wenn der neue Windpark am Netz ist, bleibt 1 Million Euro jährlich vor Ort. Außerdem können die Gemeinden Westre und Ellhöft in Zukunft mit 300.000 Euro Gewerbesteuer jährlich rechnen“, freut sich Steffens genauso wie Bürgermeister Hansen.

Vielleicht entwickelt sich der Standort – fernab von Nordsee- und Ostseeküste – auch zu einem kleinen Mekka Windenergie-Begeisterter, die sehen wollen, welche Figur der Anlagentyp 5M der Firma Repower im ersten kommerziellen Windpark macht. „Wir wollen hier ein Infohaus zur Windkraft bauen“, erzählt Christiansen am Fluss Vindtved direkt an der Grenze, die nur am Ortsschild „Tønder Kommune“ zu erahnen ist. Kilometerweit im Umkreis wohnt kein Mensch. Aber es gibt einen Radwanderweg namens „Grenzroute“, auf dem die Windtouristen in Zukunft radeln können – vorbei an drehenden Mühlen mit einer maximalen Gesamthöhe von 163 Metern. Mit etwas Glück sehen sie einen einsamen Reiter in der Statur eines Wikingers, der auf einem athletischen Holsteiner Pferd über die Wiesen galoppiert. Das ist dann der Windmüller Christiansen selbst – bei einer seiner liebsten Freizeitbeschäftigungen.