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„Ein Moloch“

BLUMENTHAL Eine Ausstellung beleuchtet die Geschichte der Wollkämmerei in der NS-Zeit

Ulf Fiedler

■ 83, ist pensionierter Lehrer, Autor und Heimatkundler aus Bremen-Rönnebeck.

taz: Heute wird eine Ausstellung über die Geschichte der Bremer Wollkämmerei (BWK) zur Zeit des Nationalsozialismus eröffnet. Was aber hat nun die Schriftstellerin Tami Oelfken (Foto) damit zu tun, Herr Fiedler?

Ulf Fiedler: Sie hat den Prozess der Entwicklung der Bremer Wollkämmerei und deren Wirkung auf die Ortschaft Blumenthal mit aller Sorgfalt und sprachlicher Genauigkeit geschildert.

Sie war Reformpädagogin...

... und hatte von den Nazis Lehr und Schreibverbot auferlegt bekommen. Sie empfand und beschrieb die Technik in der Wollkämmerei als Moloch und hat zugleich die Schäden für die Natur schon damals sehr sorgfältig aufgeschrieben. Sie hat zum Beispiel beschrieben, wie das giftige Waschwasser der Wolle ungeklärt in den Fluss geleitet wurde und die Fische starben. Die Industrie war für sie eine Krake, die das schöne, bedächtige Dörfchen zunehmend in Besitz nimmt. Und sie stellte die schon vor der Nazi-Zeit zugewanderten polnischen Arbeiter sehr positiv dar – all das hat den Nazis natürlich nicht gepasst. Sie war neugierig auf das Neue und hat es als Bereicherung empfunden, nicht ohne jedoch auch die Probleme zu schildern. Sie war die Einzige, die die Wirkung der Industrialisierung auf dieses ruhige und besinnliche Fischerdorf so genau geschildert hat.

Warum war sie die Einzige?

Das hat sonst niemand interessiert. Alle anderen sahen die unbestreitbar segensreiche Wirkung auf die Prosperität der Ortschaft Blumenthal, die schnell und zum Nutzen aller moderne Infrastruktur erhielt.

Warum war das bei Tami Oelfken anders?

Ihr Vater war von Anfang an ein wichtiger Mann im Ort, er war dort stellvertretender Bürgermeister, außerdem Abteilungsleiter in der Wollkämmerei. Der Garten, indem sie aufwuchs, grenzte direkt an die BWK. Tami Oelfken sah die Dinge kritisch, war sehr auf Reform bedacht. Sie sah die Bedingungen, unter denen die polnischen Arbeiter lebten und lehnte die soziale Schicht, aus der sie selbst kam, ihr Leben lang ab.

Interview: Jan Zier

Eröffnung mit Lesung: 13 Uhr. Die Ausstellung zeigt über 140 Fotos und ist bis 28. August in der ehemaligen Bibliothek in Blumenthal (rechts vom Rathaus, Landrat-Christians-Straße 107) zu sehen, jeweils am Dienstag, Donnerstag und Samstag von 14 bis 18 Uhr

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