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Archiv-Artikel

Karrierefrau für Polens Hauptstadt

Ich bin die Omi für harte Arbeit“, erklärte die kleine Frau mit einer jungenhaften Kurzhaarfrisur, als sie gerade die Wahlergebnisse erfahren hatter: Hanna Gronkiewicz-Waltz (54), Kandidatin der „Bürgerlichen Plattform“ (PO), wurde in der Stichwahl am Sonntag mit 53,3 Prozent zur Stadtpräsidentin von Warschau gewählt.

Gronkiewicz-Waltz ist eine Karrierefrau – obwohl die bekennende Großmutter einen solchen Ausdruck eher ablehnen würde. Viel lieber verweist sie auf ihren tiefen katholischen Glauben, der sie von Kindheit an begleitet hat, auf das patriotische Vorbild ihres Vaters, der im Warschauer Aufstand gekämpft hatte und als bekannter Warschauer Anwalt Ende der 60er-Jahre politische Häftlinge verteidigte. Die Studentin wurde darum Gründungsmitglied der NSZZ Solidarność. Mutter und Großmutter seien die treibende Kraft hinter ihrer „Lust zu lernen“, sagte Gronkiewicz-Waltz einmal. Sie studierte Recht und Ökonomie und habilitierte sich 1993. Von 1992 bis 2000 war sie erste Präsidentin der polnischen Nationalbank und machte sich um die Stabilisierung des Złoty verdient.

Unterstützt von der Splitterpartei ZChN (Christlich-Nationales Bündnis), bewarb sie sich 1995 mit wenig Erfolg um das Amt des Staatspräsidenten. Doch war die Erfolgsbankerin dem rechtsreligiösen Milieu nicht ganz geheuer – Radio Maryja ließ verbreiten, sie hätte jüdische Wurzeln.

Zu ihrem zweiten Politstart holte Jan Rokita, der konservative Vize der „Bürgerlichen Plattform“, sie 2005 von London nach Warschau. Zuvor war sie in England drei Jahre lang Vizepräsidentin der Europäischen Entwicklungsbank. Zurück in der Hauptstadt musste sie sich gegen den internen Klüngel der Warschauer PO durchsetzen. die sich einige Korruptionsfälle zu schulden kommen ließ. Ihre Nominierung als Präsidentschaftskandidatin war darum nicht unumstritten, böse Zungen der Gegenfraktion flüsterten, dass bald alle Mitarbeiter unter ihr zum Morgengebet antreten müssten.

Gronkiewicz-Waltz wird darum anfangs vorsichtig regieren müssen. In einer ähnlichen Situation war auch Margaret Thatcher in den ersten Monaten ihrer Amtszeit. Wie Thatcher wird auch Hanna Gronkiewicz-Waltz als „eiserne Lady“ bezeichnet. Das meinte zumindest ihre Tochter am Wahlabend, um hinzuzufügen, ihre Mutter habe Herz im Umgang mit anderen. Ihre Standhaftigkeit wird Gronkiewicz-Waltz bald beweisen müssen, denn die Regierungspartei PiS wird sich schnell auf sie einschießen. Ihr Amt gilt als Sprungbrett für Posten in der Regierung. Präsident Lech Kaczyński war Warschaus vorletzter Stadtpräsident. JENS MATTERN