: Seife und verwüstete Zimmer
ANTIRASSISMUS In der Aktionswoche gegen Rassismus thematisieren zwei Ausstellungen Diskriminierung im Deutschland der NS-Zeit und von heute
Die Touristeninformation am Berliner Hauptbahnhof ist ein ungewöhnlicher Ort für eine Ausstellung. Touristen gehen ein und aus, fragen nach dem Weg oder kaufen ein S-Bahn-Ticket. Momentan ist in dem kleinen Würfel die Ausstellung „Unser Ausland“ zu sehen. Zehn Berliner nichtdeutscher Herkunft beschreiben in einer Filminstallation ihre Erfahrungen mit den Eigenheiten der Deutschen, ihrer Kultur und Lebensweise.
Anlässlich des am 21. März stattfindenden „Internationalen Tag zur Überwindung von Rassismus“ hat die Organisation „Gesicht Zeigen!“ eine Aktionswoche ins Leben gerufen. Neben einer Filmreihe werden auch zwei Ausstellungen präsentiert, eine davon am Hauptbahnhof. Ein ungewohnter Ort mag zwar seine Reize haben, und auch thematisch könnte die Touristeninformation passen, schließlich vermischen sich hier verschiedene Kulturkreise. Aber das Konzept geht nicht auf. Die Atmosphäre ist zu steril, der Ort ein Kommen und Gehen mit einer ständig auf-und zugehenden Schiebetür, die an den Nerven zerrt.
Die Filminstallation besteht aus zehn Videosequenzen, in denen Menschen von ihren Erfahrungen in Deutschland berichten. Leider ohne Ton. Zwar mit Untertitel, doch schade, dass man keine Musik hört, wenn im Kaffee Burger bei der Russendisko die Hüften kreisen. Auch inhaltlich können die Filme nicht überzeugen. Ohne die richtigen Designerjeans werde sie bei Mitstudenten nicht respektiert, erzählt Jocelyn, Jurastudentin. Statt Vorurteile zu überwinden, werden neue geschaffen.
Gelungen ist dagegen die Ausstellung „7x jung“ in den S-Bahnhof-Bögen Bellevue, die sich an Jugendliche richtet: Der Untertitel „dein Trainingsplatz für Zusammenhalt und Respekt“ mag zunächst abschrecken. Aber der Ansatz der Ausstellung, die sich mit den Themen Antisemitismus, Diskriminierung und Rassismus befasst, ist erstaunlich neu und frisch. Es geht nicht darum, Fakten und Wissen zum Nationalsozialismus zu vermitteln, sondern eine Brücke zur Gegenwart zu schlagen. „Wir wollten kein Geschichtsmuseum, davon gibt es schon so viele. Bewusst haben wir uns für eine Kunstausstellung entschieden, denn Kunst spricht jeden auf irgendeine Weise an“, erklärt Jan Krebs, Projektleiter von „7x jung“.
Es sind vor allem Schulklassen, die „7x jung“ besuchen und an Workshops teilnehmen. Um Kindern und Jugendlichen das Thema Nationalsozialismus nahe zu bringen, wurden in fünf Ausstellungsräumen Orte inszeniert. Lebensräume, die es in den 30er Jahren schon gab und immer noch gibt, wie das eigene Zimmer, eine Sporthalle oder das Café um die Ecke. Die Besucher sollen sich wohl fühlen, ins Gespräch kommen. Und nach und nach Ausstellungsexponate wie Fotos an der Wand oder Filmausschnitte entdecken. Jedes der Stücke ist liebevoll in den Kontext seines Raums eingebettet.
Das Bemerkenswerte an der Ausstellung ist, dass es ihr gelingt, mit einfachen, subtilen Mitteln Geschichte erlebbar zu machen. Ein grünes Stück Seife und eine Tafel Schokolade liegen nebeneinander. Komisch, denkt man und liest auf einem Hinweis: Im Dritten Reich war es Juden verboten, Schokolade und Seife zu kaufen. Ein sehr emotionales Exponat ist „das Zimmer“. Ein Jugendzimmer, brutal verwüstet. Die Matratze aufgerissen, Federn liegen auf dem Boden, sämtliche Gegenstände wurden umgeworfen. Fußballposter hängen noch an der Wand, Mangas sind überall verstreut. Ein Einbruch, so die erste Vermutung. Dann liest man die Geschichten von Robert Goldmann und Mucki Koch, die miterleben mussten, wie ihre Wohnungen von der SA zerstört wurden.
Anlässlich der Aktionswoche bietet 7x jung auch für Einzelpersonen Führungen an. Eine gute Gelegenheit auch für Erwachsene, auf ganz körperliche Weise von der Geschichte berührt zu werden. JULIA SCHWEINBERGER
■ Aktionswoche noch bis 27. März, www.gesichtzeigen.de