: Fesselung von Abschiebehäftlingen möglich
FLÜCHTLINGE In „extremen Fällen“ dürfen Insassen im Abschiebeknast Eisenhüttenstadt weiterhin körperlich fixiert werden, so das Brandenburger Innenministerium. Kritik vom Flüchtlingsrat
In der brandenburgischen Abschiebehaftanstalt Eisenhüttenstadt dürfen in Ausnahmefällen auch künftig Insassen zur Ruhigstellung gefesselt werden. In „extremen Fällen akuter Selbst- und Fremdgefährdung mit hohem Gewaltpotenzial“ müsse auf das Mittel der körperlichen Fixierung zurückgegriffen werden können, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Ingo Decker, am Mittwoch in Potsdam.
Der Flüchtlingsrat hatte zuvor eine „sofortige Abschaffung“ von „Fesselungsvorrichtungen und Ruhigstellungszellen“ gefordert. Entsprechende Fesselungsvorrichtungen in der Abschiebehaft seien weiter einsatzbereit, sagte Beate Selders vom Flüchtlingsrat. Aktuelle Fälle seien jedoch nicht bekannt.
Nach Angaben des Ministeriumssprechers wird die Fixierung auch vom Europäischen Antifolterausschuss CPT, die Einhaltung bestimmter Standards wie einer ärztlichen Überwachung vorausgesetzt, „als letztes Mittel“ akzeptiert. Die Fallzahlen belegten zudem, dass dieses Mittel nur „äußerst selten“ angewandt werde, so Decker.
So sei 2010 kein Abschiebehäftling in Eisenhüttenstadt gegen seinen Willen gefesselt oder ruhiggestellt worden. 2009 wurde demnach ein Insasse fixiert, 2008 waren es zwei, 2007 war es ein Häftling. Für 2006 sind keine Fälle bekannt. Von 2001 bis 2005 wurden pro Jahr zwischen vier und sieben Insassen der Abschiebhaft durch Fesselungen ruhiggestellt, darunter 2002 und 2003 jeweils sieben Menschen.
Die Zentrale Ausländerbehörde Brandenburgs hatte nach Angaben des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in der vergangenen Woche in einem Rechtsstreit über die mehrfache Ruhigstellung einer Frau 2003 eingeräumt, dass die Fesselung der Klägerin rechtswidrig war. Das Verfahren der Kenianerin gegen die Ausländerbehörde sei damit ohne Gerichtsentscheidung erledigt worden, sagte eine Gerichtssprecherin.
Die Klägerin war nach Angaben des Flüchtlingsrates nach einem Suizidversuch in der Abschiebehaft an mehreren Tagen über Stunden hinweg in einem sogenannten Ruhigstellungsraum einer „Totalfesselung“ unterworfen worden. Die Kenianerin hatte nach Angaben ihres Anwalts anschließend Klage erhoben, um feststellen zu lassen, dass dies rechtswidrig war. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) hatte die Klage nach Angaben des Anwalts 2007 zurückgewiesen.
Auch der Abschiebeknast in Köpenick steht immer wieder in der Kritik. Zuletzt forderte der Berliner Flüchtlingsseelsorger Ludger Hillebrand die Berliner Polizei auf, die medizinische Versorgung der Häftlinge im Abschiebegewahrsam zu verbessern. Selbst schwerste Folterspuren wie schlecht verheilte Rippenbrüche oder ausgerissene Zehennägel würden nicht festgestellt, so der Jesuitenpater im vergangenen Dezember.
Anlass der Kritik war damals die geplante Abschiebung eines 66-Jährigen nach Russland, obwohl unabhängige Ärzte bei ihm eine chronische Schizophrenie diagnostiziert hatten. „Dieser Mann ist schwer krank, das ist sogar aktenkundig, und jeder merkt es“, hatte Hillenbrand damals gesagt, „jeder – nur nicht der polizeiärztliche Dienst“. (epd, taz)