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Archiv-Artikel

Der Provokateur

Hitler und schwer bewaffnete Mullahs – die Karnevals-Wagen des Düsseldorfers Jacques Tilly polarisieren

Jacques Tilly hatte sich als Teufel verkleidet – zwei rote Hörner auf dem Kopf, spitz zulaufende schwarze Augenbrauen und ein roter Punkt auf der Nase. Damit wird er kaum aufgefallen sein unter den 900.000 Karnevalisten, die am Montag den Zug durch die Landeshauptstadt verfolgten. Doch die Wagen des 43-Jährigen sorgten bundesweit für Aufsehen. Einer seiner Entwürfe war so brisant, dass die Zugleitung sich zur erhöhten Geheimhaltungsstufe entschloss. Erst 20 Minuten vor dem Start wurde der Wagen enthüllt – aus Angst vor Neonazis. Zu sehen war Adolf Hitler, mit heruntergelassener Hose, die rechtsextreme NPD als „Nachgeburt“ ausscheidend.

Darstellungen von Hitler seien per se problematisch, meint Tilly. „Jede Form von Verharmlosung ist schwierig.“ Aber der Wagen, der am Rosenmontag durch Düsseldorf rollte, sei eindeutig kein Hitler-Werbewagen gewesen. Tilly kann sich auf seinen karnevalistischen Instinkt verlassen. Seit 23 Jahren beschäftigt sich der Düsseldorfer mit dem Bau von Karnevalswagen. Ein Kumpel war es, der ihn damals Mitte der 80er zu seinem ersten Wagenbau mitgenommen hat – „reiner Zufall“, sagt Tilly heute.

30 Entwürfe hat er dieses Jahr gemacht, zehn politische Wagen steuerten dann tatsächlich durch die Karnevalshochburg. Darunter auch eine Darstellung von zwei bis an die Zähne bewaffneten Mullahs. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland meldete sich direkt empört zu Wort. Der Wagen habe sich nicht gegen den Islam an sich gerichtet, sagt Tilly. Und: „Der Karneval hat die Aufgabe, Zeitgeschichte zu kommentieren.“

Doch im vergangenen Jahr, als der Streit um Karikaturen des Propheten Mohammed tobte, hielt auch er sich zurück. Dabei war der Entwurf schon fertig: vier Muslima, die eine verhüllter als die andere und die letzte in der Reihe steckte in einem zugebundenen Sack. Es sei richtig gewesen, den Entwurf den Narren nicht zu präsentieren, sagt Tilly. „Das war auf dem Höhepunkt des Karikaturenstreits, da sind damals Menschen gestorben.“

Provozieren will er – aber nicht um jeden Preis. Und auch in der traditionellen Fehde der Düsseldorfer mit den Kölnern hält er sich bedeckt. In der Presse wurden die Kölner als zahm bezeichnet, weil sie auf direkte Islam-Satire verzichtet hatten. Tillys diplomatischer Kommentar: „Ich würde mich freuen, wenn es einen Wettbewerb um den schärfsten Wagen geben würde.“KATHARINA HEIMEIER