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Archiv-Artikel

Betr.: kinotaz nord

A

Die Abenteuer des Prinzen Achmed Deutschland 1926, R: Lotte Reiniger / Silhouettenfilm mit Live-Musikbegleitung durch das Landesjugendorchester Bremen

Dieser Scherenschnittfilm war kurz vor Disney der erste lange Animationsfilm. „Charme und Grazie, Zartheit und Anmut, Witz und Verspieltheit: Es sind viele Worte, mit denen Lotte Reinigers Scherenschnittfilme zu beschreiben wären. Vor allem aber: Zauber. Es wird viel gezaubert in den Bildern diese Filmes und in den Geschichten, die in ihm erzählt werden.“ (Walter Schobert) HB

Angry Monk – Eine Reise durch Tibet Schweiz 2005, R: Luc Schaedler / Originalfassung mit Untertiteln

“Während der Westen den tibetischen Buddhismus gerade wegen seiner passiven Modernitätsverweigerung schätzt, wirft der Dokumentarfilm einen anderen Blick auf Tibet: Er porträtiert den Lama Gendun Choephel, der sich 1934 vom Klosterleben abwandte, um die sich modernisierende Welt zu bereisen. Seine Kritik an einem Buddhismus, der sich von der Welt abschottet und in sinnentleerte Rituale zurückzieht, ist doppelt relevant: historisch als Warnung, dass ein erstarrtes Tibet der rasanten Ideologie Chinas nichts entgegenzusetzen hat, aktuell, weil sie das westliche Bild des Buddhismus als vage ,Lifestyle-Spiritualität‘ entlarvt. Diese doppelte Sinnspitze spiegelt sich auch in der Form, wenn der Bericht des Mönchs durch die Reisebilder der Gegenwart konterkariert wird. Umso klarer wird, wie drängend Choephels Forderung nach einer selbstbewussten tibetischen Kultur ist, die sich gegen die Unterdrückung durch den Osten, aber auch gegen die Vereinnahmungen des Westen zur Wehr setzen kann.“ (filmdienst) HB

Anna Boleyn Deutschland 1920, R: Ernst Lubitsch, D: Henny Porten, Emil Jannings / Stummfilm mit Klavierbrgleitung

„Die Lebensgeschichte der zweiten Gemahlin Heinrichs VIII., Mutter der späteren Königin Elisabeth I., die – als der ersehnte Thronfolger auf sich warten läßt – von ihrem Mann verstoßen und wegen angeblichen Ehebruchs enthauptet wird. Dank einer hervorragenden Bildkomposition und der exzellenten Darstellung von Emil Jannings ein beachtenswertes Werk der Stummfilmzeit, das sich lose an die historischen Tatsachen anlehnt.“ (Lexikon des internationalen Films) H

Arthur und die Minimoys Frankreich 2006, R: Luc Besson, D: Mia Farrow, Freddie Highmore

„Luc Besson gelingt mit seinem in einer Kombination aus Realfilm und Computeranimation gedrehten Kinderfilm um die Abenteuer eines Volks von Gartentrollen lediglich ein milde langweilendes Fantasy-Opus mit hässlichen Figuren, die gut und gerne der Ramschecke eines Spielzeugladens entsprungen sein könnten. Warum nur müssen diese Trolle immer spitze Ohren haben? Kann man sich da nicht einmal etwas Neues einfallen lassen? „Fantasy“ kommt doch schließlich von Fantasie und nicht von Drittverwertung längst ausgelutschter Ideen.“ (tip) BHV, DEL, H, HB, HH, HL, KI, OL

Die Aufschneider Deutschland 2006, R: Carsten Strauch, D: Carsten Strauch, Rainer Ewerrien

„Von zwei benachbarten Kliniken muss eine laut ministerieller Ankündigung der Gesundheitsreform weichen. Zwischen den Häusern entbrennt ein erbitterter Konkurrenzkampf, wobei die gemütlich-skurrile Eichwald-Klinik mit ihrer ebenso inkompetenten wie sympathischen Belegschaft gegen das schicke, hochtechnisierte St. Georg-Krankenhaus, dessen Leiter in dubiose Organspendeaffären verwickelt ist, äußerst schlechte Karten zu haben scheint. Scharfzüngige Satire auf das Krankenhaus-Genre in Film und Fernsehen, die mit deftigem, anarchischem Humor das deutsche Gesundheitssystem seziert.“ (filmdienst) H, HB, HH, HL, KI, OL

B

Babel USA 2006, R: Alejandro González Iñárritu, D: Brad Pitt, Cate Blanchett

„Der mexikanische Regisseur Alejandro Gonzáles Iñárritu stellt die babylonische Sprachverwirrung als metaphorisches Leitmotiv über ein kunstvolles Konstrukt von ineinander verwobenen Geschichten aus verschiedenen Ecken der globalisierten Welt. Ein Film über Liebe und Tod, Weltpolitik und Verteilungskämpfe, der trotz einiger Mängel im Detail große intellektuelle und emotionale Wucht entfaltet.“(tip) H, HB, HH, HL, KI, OL

Blood Diamond USA 2006, R: Edward Zwick, D: Leonardo DiCaprio, Djimon Hounsou

„Während des Bürgerkriegs in Sierra Leone in den 1990er-Jahren eröffnen diverse Parteien auf der Jagd nach einem riesigen Diamanten einen Nebenkriegsschauplatz. Der packende Abenteuerfilm arrangiert geschickt die Klischees und Stereotypen des Genres und verdichtet sich nicht zuletzt dank seines souverän agierenden Hauptdarstellers zu einem grandiosen Spektakel vor überwältigender Kulisse. Dabei schreckt er in seiner Figurencharakterisierung freilich nicht vor grober Schwarz-Weiß-Zeichnung zurück und unterläuft durch die Auslassung einiger politischer Bezüge seine eigene moralisierende Anklage.“ (filmdienst) DEL, H, HB, HH, HL, KI, OL

Bordertown USA 2006, R: Gregory Nava, D: Jennifer Lopez, Antonio Banderas

„Jennifer Lopez spielt eine amerikanische Journalistin, die in eine Grenzstadt in Mexiko geschickt wird, um zu recherchieren, was es mit Hunderten von Frauenmorden auf sich hat, die dort verübt und vertuscht werden. Die Geschichte hat einen wahren Hintergrund, tatsächlich wurden Fabrikarbeiterinnen, die für amerikanische Firmen im Grenzgebiet rund um die Uhr Schichtdienst schieben, vor einigen Jahren in großer Zahl ermordet, ohne dass Polizei oder Regierung allzu engagiert nach den Tätern suchten. Man könnte meinen, diese Geschichte erzähle sich von selbst, aber abgesehen von vor allem in der ersten halben Stunde starken atmosphärischen Aufnahmen vom nächtlichen Chaos und seinen Geräuschen ist der Film ein einziges Desaster. Jennifer Lopez postiert ihre Kurven gern im Gegenlicht vor einem Aquarium, ihr mexikanischer Kollege und Ex-Liebhaber in Gestalt von Antonio Banderas muss eine alberne Ponyfrisur tragen und ansonsten vor allem besorgt sein, und das Opfer, das seinen Mördern noch einmal entkam und sie zu den Tätern führen soll, hat zwischen Angstträumen genügend Zeit, von der Schönheit des heimatlichen Landlebens zu schwärmen.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) H, HB, HH

Brodeuses (Perlenstickerinnen) Frankreich 2004, R: Eléonore Faucher, D: Lola Naymark, Ariane Ascaride / Originalfassung mit Untertiteln

„Eine ungewollt schwangere junge Frau will ihr Kind in der französischen Provinz zur Welt bringen und es danach zur Adoption freigeben. Als sie eine ältere Frau kennenlernt, die ihren Sohn bei einem Unfall verloren hat, liefert ihnen ihre leidenschaftliche Hingabe fürs Sticken erste Impulse der Annäherung, woraus sich eine tiefe Freundschaft entwickelt, die für beide von beträchtlichem Gewinn ist. Das subtil entwikkelte und inszenierte Spielfilmdebüt visualisiert seine symbolische Ebene durch eine einfühlsame Bildsprache, wobei die Kamera unaufdringlich und sensibel die Freundschaft zwischen den Generationen beobachtet.“ (filmdienst) HB

C

Chanson d’ Amour Frankreich 2006, R: Xavier Giannoli, Gerard Depardieu, Cecile De France

„Xavier Giannolis Film ist die emphatisch liebevolle Studie eines halbseidenen Berufes: Gérard Depardieu brilliert als Ballhaussänger, der in der französischen Provinz sein nostalgisches Publikum mit Schlagern aus deren Jugend umschmeichelt und sich in eine 30 Jahre jüngere Frau (Cécile de France) verliebt.“ (tip) H, HB, HH, KL

Cocktail für eine Leiche USA 1948, Alfred Hitchcock, R: James Stewart, Farley Granger

„‚The Rope‘ (Cocktail für eine Leiche) ist jenes Werk, mit dem sich Hitchcock an ein ausgesprochenes Experiment wagte: den Spielfilm in einer einzigen Einstellung. Dafür ließ Hitchcock die zehnminütigen Filmrollen jeweils ohne Unterbrechung durchlaufen, ein direkt vor der Kamera stehender Schauspieler diente ihm zum Ende und Anfang jeder Rolle als eine Art Schwarzblende. So blieb die Einheit von Ort und Zeit der Handlung bewahrt, die sich an einem Abend in der Wohnung zweier Studenten zuträgt, die einen vermeintlich perfekten Mord begangen haben. Zu allem Überfluss haben die beiden Mörder die Leiche in einer Truhe versteckt, auf der sie das kalte Büffet aufgebaut haben - was Hitchcock für eine schöne Suspense-Sequenz nutzt: Denn während die Partygäste noch über das Schicksal des Vermissten rätseln, räumt die Haushälterin minutenlang unbemerkt das Büffet ab, um einen Stapel Bücher in die Truhe zurückzulegen.“ (taz) HH

Cookies Fortune USA 1999, R: Robert Altman, D: Glen Close, Liv Taylor / Originalfassung mit Untertiteln

„‚Cookies Fortune‘ ist Robert Altmans sonnigster Film, eine warmherzige Komödie, in der es irgendwie gelingt, vom Tod und einer Mördersuche zu erzählen und dabei ohne einen wirklichen Schurken auszukommen. Der Film spielt in dem kleinen Südstaaten-Örtchen Holly Springs, wo Altman eine große Besetzung von liebeswerten Charakteren versammelt. Er ist ein Meister bei Geschichten, die viele Filmfiguren miteinander verbinden, und auch hier liegt eines der Hauptvergnügen wieder darin, die verborgenen Verbindungen zu entdekken.“ (Roger Ebert) HH

D

Departed: Unter Feinden USA 2006, R: Martin Scorsese, D: Leonardo DiCaprio, Jack Nicholson

Was für ein düsteres Ende! Mit der Unausweichlichkeit einer griechischen Tragödie wird hier eine Geschichte abgeschlossen. Keinem der Protagonisten werden Rettung oder Vergebung gegönnt. Martin Scorsese ist der nihilistischen Essenz der Vorlage „Infernal Affairs“ treu geblieben, ohne dabei den Stil des Actionfilms aus Hongkong zu kopieren. Und in den Dialog lauert immer ein boshafter Witz, der aber nie zynisch wird, weil Scorsese bei aller Virtuosität bei der Inszenierung nie die Charaktere aus den Augen verliert. Darum verirrt sich der Zuschauer nie im labyrinthischen Plot. „Departed“ ist als Genrefilm extrem spannend und unterhaltend, aber er hat auch jenen ästhetischen Mehrwert, der die Klassiker von den nur gute gemachten Filmen unterscheidet. (hip) H, HB, HH, HL, KI, OL

Dreamgirls USA 2006, R: Bill Condon, D: Jamie Foxx, Jennifer Hudson

„Die Verfilmung des 1981 uraufgeführten Broadwaymusicals bleibt der Vorlage treu, hat weniger Tanz, aber mehr musikalisches Gewicht als ‚Chicago‘ zu bieten, auch wenn einige Songs eher der Beschreibung emotionaler Zustände als dem Hörvergnügen verpflichtet sind. Im Film ist es schließlich wie in der Story. Beyoncé ist der größere Blickfang und Namen, aber Jennifer Hudson dank ihrer Stimme der heimliche Star.“ (Blickpunkt:Film) H, HB, HH, HL, KI, OL

F

Die Farbe der Milch Norwegen/Schweden 2004, R: Torun Lian, D: Julia Krohn, Bernhard Naglestad

„Ein zwölfjähriges Mädchen erlebt während des norwegischen Sommers trotz seiner anfänglichen Skepsis gegenüber romantischen Gefühlen die erste Liebe. Während es ein Freund still, aber hartnäckig umwirbt, schwärmt es für einen wesentlich älteren Jungen, der ihm ein Rätsel aufgibt: Welche Farbe hat Milch in ihrem Inneren? Die stimmungsreiche, mal amüsante, mal leicht melancholische, nie aber verniedlichende Adaption eines Kinderbuchs, die sich offensiv und unverblümt dem kindlichen Umgang mit Gefühlen und essenziellen Themen wie Liebe, Sexualität und Tod widmet.“ (filmdienst) HB, HH

Flags of Our Fathers USA 2006, R: Clint Eastwood, D: Adam Beach, Jesse Bradford

„Das berühmte Foto Joe Rosenthals, das 1945 drei US-Marines beim Hissen der amerikanischen Flagge nach der Einnahme der japanischen Insel Iwo Jima einfing, dient Regisseur Clint Eastwood als Aufhänger für ein filmisches Psychogramm seines Heimatlandes. Von dem durch Verluste gezeichneten japanischen Kriegsschauplatz heimgekehrt, werden die drei jungen Soldaten zu Helden stilisiert und auf eine Propaganda-Tour durch ein kriegsmüdes Amerika geschickt. Zeitlich verschachtelt werden die Schreckensbilder ihrer traumatischen Erlebnisse und die später erfolgte Neuinterpretation der Geschehnisse einander gegenübergestellt – und somit die historische Wahrheit eines Fotos, das um die Welt ging, hinterfragt.“ (Rheinischer Merkur) HB

Flutsch und weg USA 2006, R: Henry Anderson, David Bowers, Sam Fell

Die eingebildete Hausmaus Roddy St. James muss erst durch die Toilette in die Kanalisation gespürt werden, um dort durch die freche Girliemaus Rita zu erkennen, dass es ein Rudeltier ist und nichts in einem einsamen Käfig verloren hat. In einer parallelen Unterwelt hat sich das Ungeziefer in der Kanalisation eine Miniaturausgabe von London gebaut, in der die Towerbridge, der Piccadilly-Circus und noch viele andere Sehenswürdigkeiten aus Abfall zusammengebastelt wurden. Bei diesem Film begeistert besonders der Witz im Detail: die vielen Anspielungen, die von Filmzitaten aus African Queen und James Bond bis zu Kafka und Marcel Marceau reichen. Die Mischung aus Claymotion und Computeranimation wirkt wie aus einem Guss und die einzelnen Figuren sind so einfallsreich entworfen, dass jedes Tierchen seine unverwechselbare Persönlichkeit hat. Wer kann noch ruhigen Gewissens eine Mausefalle aufstellen, nachdem er diesen Film gesehen hat? (hip) H, HB, HH, KI, OL

G

Ghost Rider USA 2007, R: Mark Steven Johnson, D: Nicolas Cage, Eva Mendes

„Seit er als junger Mann seine Seele dem Teufel verkaufte, ist der Stuntfahrer Johnny Blaze ein Getriebener, der eine zweite Existenz als ‚Kopfgeldjäger des Teufels‘ führt. Im Marvel-Comicuniversum ist dies einer der düstersten Charaktere, der Film allerdings trotz des übersinnlichen Rahmens ein eher gradliniges und bodenständiges B-Movie – mit Peter Fonda als obercoolem Mephisto.“ (tip) BHV, DEL, H, HB, HH, HL, KI, OL

Der gute Hirte USA 2006, R: Robert De Niro, D: Matt Damon, Angelina Jolie

In dem über zweieinhalb Stunden langen „Der Gute Hirte“ wird die Geschichte des amerikanischen Geheimdienstes von den Anfangstagen in den späten 30er Jahren bis zur misslungenen Invasion Kubas in der Schweinebucht erzählt. Francis Ford Coppola ist nicht umsonst einer der Produzenten des Films und wollte ihn ursprünglich selber inszenieren. Dies ist, sowohl von den Dimensionen wie auch vom Anspruch her, ein „The Godfather“ des Geheimdienstes. Erzählt wird mit einem ähnlichen episch langen Atem und es wird mit dem Umweg über eine Familiengeschichte amerikanische Geschichte mythologisiert. Nun ist der CIA nicht so barock wie die Mafia, und so ist dies eine protestantische Version von „Der Pate“ geworden. Nach dem eher intimen „The Bronx Tale“ ist dies erst die zweite Regiearbeit von Robert De Niro, und man kann nur darüber staunen, die souverän er dieses Schwergewicht von einem Film gestemmt hat. (hip) H, HB, HH, HL, KI, OL

H

Hannibal Rising – Wie alles begann USA 2006, R: Peter Webber, D: Gaspard Ulliel, Gong Li

„Als hungrige Söldner im Zweiten Weltkrieg die kleine Schwester des zehnjährigen Hannibal verspeisen, flieht er nach Frankreich zu seiner eleganten japanischen Tante Lady Murasaki (die Chinesin Gong Li) und verknallt sich in sie. Dann studiert er Medizin, murkst die Mörder seiner Schwester ab und isst ihre Wangen. Langweilig kunstgewerblicher Mainstreamhorror. (tip) BHV, DEL, H, HB, HH, HL, KI, OL

Happy Feet Australien/USA 2006, R: George Miller

„Das Animationsmusical ‚Happy Feet‘ erzählt vom jugendlichen Kaiserpinguin Mumble, der sich anders als seine Artgenossen nicht durch Gesang, sondern durch Stepptanz ausdrückt. Während die melodramatische Geschichte vom Außenseiter, der am Ende die Gemeinschaft rettet, letztlich der Konvention verhaftet bleibt, bieten die per Motion-Capture aufgenommenen originellen Choreographien einigen Unterhaltungswert, und auch der Humor kommt in den Szenen mit den fünf frechen Adelie-Pinguinen, die Mumble auf seiner Reise durch die Antarktis beleiten, nicht zu kurz.“ (tip) H, HB, HH, HL, KI, OL

Die Hollywood-Verschwörung USA 2006 , R: Allen Coulter, D: Adrien Brody, Ben Affleck

„True-Crime-Thriller über die bis heute ungeklärten Umstände, unter denen „Superman“-Darsteller George Reeves 1959 ums Leben kam. Nach „Capote“ und „Auto Focus“ nimmt sich wieder ein engagierter Independent-Thriller mit Köpfchen und interessanten Überlegungen einer realen Bluttat mit Verbindungen zum Showbusiness an. Jeff Coulter hat sich einen Namen gemacht als versierter TV-Regisseur (“Rom“, „Six Feet Under“) und konnte neben Oscar-Gewinner Adrien Brody, Bob Hoskins und Diane Lane auch Ben Affleck gewinnen, der nach beträchtlichem Karrieretief mit seiner einfühlsamen Darstellung des tragischen Darstellers des Mannes aus Stahls wieder reüssieren will.“ (Blickpunkt:Film) H, HB, HH, KI

I

In 3 Tagen bist du tot! Österreich 2006, R: Andreas Prochaska, D: Sabrina Reiter, Julia Rosa Stöckl

„Fünf Teenager haben einen echt miesen Start in die Sommerferien: „In 3 Tagen bist du tot“, lautet die SMS, die jeder von ihnen erhält. Während die entsetzten Schulabgänger noch nachgrübeln, wer ihnen ans Leder will, macht sich der Bösewicht bereits ans Werk. Bislang stand Österreich vor allem für Heimatfilme und Sozialstudien. Genrefilme sind eine Ausnahme. Das will Regisseur Andreas Prochaska nun ändern. Der TV-Profi orientiert sich bei seinem Kinodebüt ganz klar an einschlägigen amerikanischen Slasher-Hits. Handwerklich ist das unbestreitbar Oberliga. Einzig beim Plot hätte man sich mehr Originalität gewünscht: Der Film verläuft so formelhaft, dass selbst Genre-Amateure meist ahnen dürften, was als Nächstes passiert.“ (Cinema) HH

L

The Last Resort Großbritannien 2000, R: Pawel Pawlikowski, D: Dina Korzun, Artiom Strelnikow / Originalfassung mit Untertiteln

„Die Liebe verschlägt eine junge Russin nach England, wo sie mit ihrem kleinen Sohn in einem tristen Küstenstädtchen strandet, als ihr Internet-Verlobter nichts mehr von ihr wissen will. In ihrer Panik beantragt sie Asyl und gerät in die Mühlen der Bürokratie, die sie auch dann nicht mehr loslässt, als sie in ihre Heimat zurückkehren will. Als gute Seele erweist sich ein selbstloser Bingo-Ausrufer. Der leise Liebesfilm erzählt vor dem Hintergrund der Migrationsproblematik seine kleine Geschichte mit semidokumentarischen Mitteln und überzeugt durch seine Unaufgeregtheit sowie die hervorragenden Darsteller.“ (filmdienst) HH

La veuve de Saint-Pierre (Die Witwe von Saint-Pierre) Frankreich 2000, R: Patrice Leconte, D: Juliette Binoche, Daniel Auteuil / Originalfassung mit Untertiteln

„Saint-Pierre 1850, eine kleine, entlegene französische Insel. Eines Nachts wird ein Mann brutal ermordet. Sein Mörder, Neel Auguste, wird zum Tode verurteilt. Aber auf Saint-Pierre gibt es weder Henker noch Guillotine. Da beginnt die Frau des Hauptmanns, sich für das Schicksal des Verurteilten zu interessieren. An ihrer Seite macht Neel sich für die Dorfgemeinschaft nützlich. Doch das Schiff mit der Guillotine naht.“ (Cinéfête 7) HB

La vie en rose Frankreich 2007, R: Olivier Dahan, D: Marion Cotillard, Jean-Pierre Martins

„In Frankreich wird la Piaf, die 47 Jahre alt wurde, verehrt wie eine Nationalheilige. Ein tragisch kurzes Leben - das hier strapaziös ausgewalzt wird: Regisseur Olivier Dahan (“Die purpurnen Flüsse 2“) schwelgt so ungehemmt ergeben im Leid seiner leidenschaftlichen Heldin, dass sich statt Ergriffenheit bald gepflegte Langeweile einstellt. Die bravouröse Marion Cotillard (“Ein gutes Jahr“) indes überzeugt als ungebrochene Edith in jeder Szene. Und wenn sie endlich „Non, je ne regrette rien“ anstimmt – ich bereue nichts –, stehen einem natürlich doch die Tränen in den Augen.“ (Cinema) H, HB, HH, HL, KI, OL

Das Leben der Anderen Deutschland 2005, R: Florian Henckel von Donnersmarck, D: Ulrich Mühe, Sebastian Koch

„Das Leben der Anderen“ ist ein weiterer von den deutschen Filmen in diesem Frühjahr, die von jungen Regisseuren mit einer ganz erstaunlich komplexen und reifen Erzählhaltung inszeniert werden. Florian Henckel von Donnersmarcks Debütfilm handelt von einem Theater-Regisseur, der 1984 in der DDR von der Staatssicherheit beobachtet wird. Doch der heimliche Held des Films ist ausgerechnet der Stasi-Hauptmann, der diese Überwachung leitet und sich langsam in einen Schutzengel für den Künstler verwandelt. Mit großem Ernst und Inspiration inszeniert, hat diese Geschichte nichts von der Ost-Nostalgie anderer Filme über die DDR, stattdessen ist dieses Drama zugleich hochpolitisch und mit Mitgefühl erzählt. (hip) HB, HH, HL, KI

L’enfant qui voulait être un ours (Das Kind, das ein Bär sein wollte) Dänemark/Frankreich 2002, Regie: Jannik Hastrup / Originalfassung mit Untertiteln

„Auf der Flucht vor Wölfen verliert eine Eisbärenmutter ihr Kleines. Um sie zu trösten, stiehlt ihr Mann für sie ein Menschenkind. Der Junge wächst unter den Eisbären auf, bis sein Vater ihn wieder findet und zurück nach Hause holt. Doch dort wird er nicht glücklich und wünscht sich nichts sehnlicher als ein Eisbär zu sein. Poetische Verfilmung eines Inuit-Märchens, die mit lichten Aquarellzeichnungen und bezaubernden Harfenklängen ins ewige Eis entführt.“ (Cinéfête 7) HB

Le papillon (Der Schmetterling) Frankreich 2002, R: Philippe Muyl, D: Michel Serrault, Claire Bouanich / Originalfassung mit Untertiteln

„Ein eigenbrötlerischer Alter, der Schmetterlinge den Menschen vorzieht, wird von einem kleinen Mädchen wieder zu Liebe und Mitgefühl erzogen. Dieses moderne Märchen lebt von dem wunderbar knorrigen Michel Serrault und dem hinreißenden, sehr selbstbewussten kleinen Mädchen Claire Bouanich. Es ist ein Märchen für Stadtmenschen jeden Alters, besonders natürlich für kleine Mädchen und ihre hoffentlich etwas wunderlichen Großväter. Denn was kann man sich als Kind mehr wünschen, als einen Großvater, durch den man eine geheimnisvolle Welt entdecken kann.“ (br-online) HB

Les glaneurs et la glaneuse (Die Sammler und die Sammlerin) Frankreich 2000, R: Agnès Varda/ Originalfassung mit Untertiteln

„In ,Les glaneurs et la glaneuse‘ geht Agnès Varda mit einer kleinen digitalen Kamera auf Reisen und tut das, was sie ihr ganzes Leben getan hat: Nicht über die Dinge, sondern von den Dingen sprechen. In diesem Fall von Menschen, die durch das Sammeln von Abfällen und Resten leben und überleben. Es ist auch ein Film über die Bildersammlerin Agnès Varda geworden. Und über das eigene Altern, die Einsamkeit, die Erinnerung.“ (taz) HB

Letters From Iwo Jima USA 2006, R: Clint Eastwood, D: Ken Watanabe, Kazunari Ninomiya

„Am 19. Februar 1945 verschanzt sich eine Minderheit japanischer Truppen auf der Insel Iwo Jima, um der Übermacht der vorrückenden amerikanischen Soldaten Widerstand zu leisten. Das sinnlose Unterfangen endet in einem Blutbad. Der von Clint Eastwood als Gegenstück seines Films „Flags of our Fathers“ konzipierte Kriegsfilm zeigt die andere „Seite der Medaille“, indem er die Schlacht um die „strategisch wichtige“ Vulkaninsel ausschließlich aus der Sicht der Japaner zeigt. Dabei bemüht er sich nach allen Regeln der (Hollywood-)Kunst, dem „Feind“ ein Gesicht zu geben und den Krieg als unmenschlich erscheinen zu lassen. Ein wichtiger, vor allem für US-amerikanische Betrachter unbequemer Film.“ (filmdienst)H, HB, HH, KI

Liebe braucht keine Ferien USA 2006, R: Nancy Meyers, D: Cameron Diaz, Kate Winslet

„‚Liebe braucht keine Ferien‘, erkennen die Londoner Journalistin Iris (Kate Winslet) und die Filmproduzentin Amanda (Cameron Diaz) aus L. A., als sie über Weihnachten ihre Häuser tauschen, um im Leben der anderen über gescheiterte Beziehungen hinwegzukommen. Die Regisseurin Nancy Meyers (‚Was Frauen wollen‘) bedient in ihrer überdrehten Komödie jedes Klischee um weibliche Sehnsüchte und lässt dabei ihre Hauptdarsteller Jude Law und Jack Black zu windelweichen, überzuckerten Märchenprinzen verkümmern.“ (Der Spiegel) H, HH, KI

Little Miss Sunshine USA 2006, R: Jonathan Dayton, Valerie Faris, D: Abigail Breslin, Greg Kinnear

„Eine schrullige amerikanische Familie, deren Mitglieder mehr oder weniger an unterschiedlichsten Varianten des ‚Amerikanischen Traums‘ gescheitert sind, reist in einem klapprigen VW-Bus quer durch die USA, damit die kleine Tochter an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen kann. Eine wunderbar einfallsreiche Komödie in Form eines subversiven Road Movie, das ein sympathisches Hohelied auf die Familie anstimmt und vor allem auch durch die hervorragenden Darsteller vorzüglich unterhält.“ ( filmdienst) H, HH

Lonely Hearts Killers USA/Deutschland 2006, R: Todd Robinson, D: John Travolta, James Gandolfini

„Ein Serienmörderpaar, das sich an alleinstehende Frauen heran macht, verbreitet Ende 1940er-Jahre an der Ostküste der USA Angst und Schrecken. Der nach wahren Begebenheiten inszenierte Noir-Thriller beschränkt sich auf die letzten beiden Opfer des mörderisches Paars und verbindet dies mit der Ermittlungsarbeit zweier frustrierter Polizeidetektive. Mit klassischen Genre-Elementen erzählt, gelingt dem Film nicht die Verdichtung zum Psychogramm der Täter, da die Inszenierung die angestrebte Nüchternheit immer wieder unterläuft und den gut agierenden Darstellern immer wieder Sympathiewerte zubilligt.“ (filmdienst) HB, HH

Lotte im Dorf der Erfinder Heiki Ernits, Janno Põldma

„So liebevoll und komisch kann Zeichentrick sein! Der handgemachte Animationsfilm aus Estland beflügelt die kindliche Fantasie. In Sachen Einfallsreichtum, Charme und Mut zur Kauzigkeit könnten die Hollywood-Profis von unseren estnischen Nachbarn und ihrem wundersamen Sammelsurium aus Minigeschichten, in denen Frösche Hosen fressen, Fische von Tränen Kopfschmerzen kriegen und Hunde in Koffern leben, einiges lernen. Schauplatz des Films ist ein kleines Dorf irgendwo in Europa, in dem Hunde, Katzen, Karnickel und andere Viecher friedlich zusammenleben. Die Erwachsenen erfinden rund um die Uhr die seltsamsten Dinge, die Kinder (wie das muntere Hundemädchen Lotte und der brave Kater Bruno) staunen dagegen über die Magie des Alltäglichen - und träumen von einem Judoturnier im fernen Japan.“ (Cinema) H, HB, HH, HL, KI, OL

M

Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler Deutschland 2006, R: Dani Levy, D: Helge Schneider, Ulrich Mühe

„Humor ist Geschmackssache. Ich will lieber geschmacklos als humorlos sein. So schaut man sich ‚Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler‘ an und spürt: Humor. Bitteren, sardonischen Humor. In Trümmern, aus Zerstörung, Versagen und Niederlage heraus – regt sich ein pompöser Führer hervor, der seine Pompösität verloren hat. Vielleicht kann Deutschland sich nur heilen, wenn Deutsche wirklich über diesen Mann lachen können, als Verführer statt Führer. Es wird kein feiner Humor sein – aber doch heilsam. Dani Levys Film ist superb. Kulissen, Location, Kamera, Inszenierung, Licht, Ton, die feinen Details – alles wunderbar. Und der Inhalt. Man lacht, und man denkt, und man weint. Weil die wahrste Wahrheit immer scherzhaft und schmerzhaft sein muss.“ (so der Berliner Rabbiner Walter Rothschild in der taz) HB, HH

Milchwald Deutschland 2003, R: Christoph Hochhäusler, D: Judith Engel Horst-Günther Marx

„In seinem Debütfilm erzählt Christoph Hochhäusler von der Angst, einer offensichtlichen Wahrheit ins Gesicht zu sehen oder sie zu artikulieren. Geschickt benutzt er das Märchen von Hänsel und Gretel und baut daraus ein stringentes, aber auch emotional schwer fassbares Melodram. Eine Entdeckung für das Kino ist die Theaterschauspielerin Judith Engel.“ (teleschau) HH

Moi César, 10 ans 1/2, 1m39 (Ich, César, 10 1/2 Jahre alt, 1,39 m) Frankreich 2003, R: Richard Berry, D: Jules Sitruk, Maria da Medeiros / Originalfassung mit Untertiteln

„César Petit ist 10 1/2 Jahre alt, 1,39 m klein, schüchtern und ein bisschen pummelig. Genau das Gegenteil von seinem Freund Morgan. Der ist gut in der Schule, ruhig, groß und stark - und hat nur ein einziges Problem: Er kennt seinen Vater nicht. Beide sind in Sarah verliebt, das schönste Mädchen der Schule. Wie soll César es bloß anstellen, ihr zu gefallen? Außerdem wundert er sich über die Welt und die Erwachsenen, die ihm nichts richtig erklären. Da macht er sich eben seine eigenen Gedanken! Plötzlich verschwindet sein Vater.“ (Cinéfête 7) HB

Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran (Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran) Frankreich 2003, R: François Dupeyro, D:Omar Sharif, Isabelle Adjani / Originalfassung mit Untertiteln

“Während der 1960er Jahre freundet sich ein 16-jähriger jüdischer Junge im Einwandererviertel von Paris mit einem alten muslimischen Lebensmittelhändler an, der für ihn zum Ersatzvater wird. Ein sympathisches, zwischen Märchen und Realität angesiedeltes Plädoyer für Menschlichkeit, Toleranz und Hoffnung, erzählt in schönen, einfachen Bildern mit viel Sinn für den Zeitgeist.“ (filmdienst) HB

MPS – Jazzin’ The Black Forest Deutschland 2006, R: Elke Baur

„In diesem Dokumentarfilm wird dem Jazzlabel MPS aus Villingen im Schwarzwald ein Denkmal gesetzt. Reizvoll ist dabei in erster Linie der Kontrast zwischen der spießigen deutschen Provinz und den weltläufigen amerikanischen Musikern, die immer wieder auch filmisch in den Montagen deutlich gemacht wird. So etwa wenn vom „freien Jazz“ die Rede ist und direkt auf eine Blaskappelle in Trachtenanzügen geschnitten wird. Auch jenseits solcher erhellenden Streiflichter ist dies eine liebevoll und solide montierte Hommage an das Jazzlabel, bei der viele der Musiker, die für MPS aufgenommen haben, wie George Duke, Lee Konitz, Jean-Luc Ponty, Wolfgang Dauner, Eberhard Weber, Joachim und Rolf Kühn und der inzwischen leider verstorbene Albert Mangelsdorff von ihren Erfahrungen berichten, und dabei jeweils auch in Archivaufnahmen aus jener Zeit zu sehen und zu hören sind.“ (Filmbewertungstelle Wiesbaden) HH

N

Nach der Hochzeit Dänemark/Schweden 2006, R: Susanne Bier, D: Mads Mikkelsen, Rolf Lassgård

„“Nach der Hochzeit“ von der dänischen Regisseurin Susanne Bier wurde gerade als Oscar-Kandidat für den besten ausländischen Film auserkoren, wobei eine Nominierung für den besten Film überhaupt mindestens genauso angemessen gewesen wäre. Die Geschichte um den gutherzigen Waisenhausleiter und Wahl-Inder Jacob Petersen (Mads Mikkelsen), der in seine Heimat Dänemark gelockt wird, um seine ihm bis dahin unbekannte Tochter zu treffen, ist eines dieser großen, schamlos tränenreichen Melodramen, wie es sie selbst Hollywood heutzutage kaum mehr hinbekommt. So schön, so traurig, dass man sich besser gar nicht erst vornimmt, den Film mit trockenen Augen zu überstehen.“ (Der Spiegel) H, HB, HH, HL, KI

Nachts im Museum USA 2006, R: Shawn Levy, D: Ben Stiller, Robin Williams

„Ein Vater will seinen Sohn und seine geschiedene Frau von seiner Beharrlichkeit in Sachen Arbeitsplatz überzeugen. Deshalb nimmt er eine Stelle als Nachtwächter im örtlichen Geschichtsmuseum an, hat bald aber mehr zu tun als ihm lieb ist, da alle Exponate in der Nacht ein turbulentes Eigenleben führen. Nur mäßig unterhaltsame Komödie, die weder den Hauptdarsteller noch die prominent besetzten Nebenrollen fordert, sodass der Reiz der Geschichte schnell verpufft und nur wenige hübsche Gags bleiben.“ (filmdienst) DEL, H, HB, HH, HL, KI, OL

P

Pan’s Labyrinth

Spanien/Mexiko/USA 2006, R: Guillermo Del Toro, D: Ivana Baquero, Sergi López

„Pan’s Labyrinth“ lässt das zwölfjährige Mädchen Ofelia (Ivana Baquero) im faschistischen Spanien des Jahres 1944 in eine bizarre Märchenwelt flüchten. Der mexikanische Regisseur Guillermo Del Toro erzählt von Folter, Terror und der Kraft der Phantasie. Bei den Oscars, die am 25. Februar in Los Angeles vergeben werden, ist Del Toros Film in sechs Kategorien im Rennen - keine andere Produktion hat mehr Nominierungen. Sergi López spielt Capitán Vidal, einen von Francos Offizieren, der Ofelias Mutter geheiratet hat und nun umbarmherzig jeden Widerstand gegen das Regime bekämpft. Geschickt gibt Del Toro schon der Wirklichkeit märchenhafte Züge. Er zeigt Vidal als bösen Stiefvater, der seine Tochter nicht liebt, und die Rebellen als tapfere Freiheitskämpfer, die etwas Besseres als den Tod suchen - aber nicht finden. Der Regisseur geht mit seinen Gewaltdarstellungen bis an die Schmerzgrenze und zeigt dann Bilder, die vor dem inneren Auge ablaufen, wenn sich die Lider angesichts des Grauens schließen: Ofelia stellt sich vor, dass ein gesichtsloses Monster sie verfolgt und ein Faun ihr hilft, in der Realität das schlimmste Unheil zu verhindern. Am Ende kämpft sie im Irrgarten zwischen Sein und Schein um ihr Leben. Ein wunderschöner, tiefberührender und sehr trauriger Film. (Der Spiegel) H, HB, HH, HL, KI, OL

Paris, je t’aime Frankreich/Schweiz 2006, R: Joel Coen, Ethan Coen, Tom Tykwer, u.a., D: Juliette Binoche, Steve Buscemi

„‚Paris, je t’aime‘ heißt ein Bündel von Kurzfilmen, 18 Stück in zwei Kinostunden - lauter Mini-Liebesgeschichten, die in Paris spielen, aber längst nicht alle wirklich etwas mit Paris zu tun haben. Prominente Regisseure aus vielen Weltecken von Japan bis Mexiko, mehrheitlich aber Franzosen und Amerikaner, haben je eine Miniatur zu dem Bukett beigesteuert, und lang ist die Liste der Stars, die kurz mal vorbeischauen, von Gena Rowlands bis Juliette Binoche, von Bob Hoskins bis Elijah Wood. Läppische Bagatellen und ausgefeilte Geschichten folgen einander nach dem Krautund-Rüben-Prinzip, und wie immer bei solchen Potpourris bleibt die Bilanz unbefriedigend: Die Menge der Häppchen macht eher hungrig als satt.“ (Der Spiegel) DEL, H, HB, HH, KL, OL

Play Chile 2005, R: Alicia Scherson, D: Viviana Herrera, Andres Ulloa / Originalfassung mit Untertiteln

„Irgendeine Großstadt in Lateinamerika. Es könnte auch Santiago de Chile sein. Tristan läuft mit gebrochenem Herzen herum. Deshalb hat er das Gefühl, die Stadt sei sein Feind. Das Mädchen Christina beobachtet ihn. Sie pflegt einen alten Mann, der ihr dafür dankbar ist. Ihr Blick auf die Stadt ist deswegen freundlich. Sie selbst ist gerade dabei die Liebe zu finden. Christina liebt es, mit dicken Kopfhörern Musik zu hören, während sie durch die Stadt streift. Und so wirkt dieser moderne, schnelle, Großstadtfilm selbst wie ein Popsong. Poetisch, bildstark und manchmal märchenhaft - dann wieder realistisch - erzählt dieser Film vom Leben als Überleben derjenigen, deren Gefühle stark sind. Und er zeigt, dass man mit einer 24p Digitalkamera nicht nur „Krieg der Sterne“- Abenteuer drehen kann, sondern auch lebendige berührende Alltagsgeschichten, in Kinoqualität,“ (mannheim-filmfestival) H

Q

Die Queen Großbritannien/Frankreich/Italien 2006, R: Stephen Frears, D: Helen Mirren, Michael Sheen

Wohl jeder weiß noch genau, wo er war und was er tat, als er erfuhr, dass Princess Diana in einem Autounfall starb. Es war einer der entscheidenden Momente der 90er Jahre - und ein Wendepunkt für Großbritannien. Die Briten benahmen sich angesichts der Trauer um Diana anders als gewohnt, und ihre alten Tugenden schienen obsolet geworden zu sein. „That’s the way we do things in this country“, sagt Helen Mirren als Elisabeth II angesichts des Trauerfalls und hält sich reserviert an die Etikette – ohne dabei zu ahnen, wie gefährlich falsch sie damit liegt. Diese vielleicht schwerste Krise des britischen Könighauses der letzten Jahrhunderte, steht im Mittelpunkt des neuen Films von Stephen Frears. Eine immense Neugier scheint ihn und sein Team dazu angestachelt zu haben, hier sehr tief zu bohren und dabei nach Wahrhaftigkeit zu suchen. „The Queen“ besteht zum größten Teil aus intimen, häuslichen Szenen (wobei das Wort „häuslich“ bei den Royals allerdings neu definiert werden muss). Alle Schauspieler fangen meisterlich die Manierismen der jeweiligen Figuren ein, und erreichen so einen hohen Wiedererkennungswert, obwohl sie den Vorbildern nicht einmal besonders ähnlich sehen. (hip) H, HB, HH, KI

R

Rache ist sexy USA 2006, R: Betty Thomas, D: Jesse Metcalfe, Brittany Snow

„Pfiffige Teenagerkomödie über drei Mädchen, die sich am Schulschönling rächen wollen, der sie gegeneinander ausgespielt hat und die sich ein raffiniertes ‚Gefährliche Liebschaften‘-Konstrukt zusammenspinnt und dann im Stil von Genreklassikern wie ‚Heathers‘ oder ‚Girls Club‘ mit ebenso viel Humor, Herz und Biss durchexerziert. Betty Thomas, zuletzt mit dem weniger gelungenen ‚I Spy‘ in den deutschen Kinos, läuft zu alter ‚Private Parts‘-Form auf, hält das Tempo hoch und verlässt sich auf die Attraktivität ihrer Hauptdarsteller.“ (Blickpunkt:Film) DEL, H, HB, HH, HL, KI, OL

Rocky Balboa USA 2006, R: Sylvester Stallone, D: Sylvester Stallone, Burt Young

„Mit seinem letzten „Rocky“-Film kehrt Sylvester Stallone zu den Qualitäten des oscargekrönten Originals zurück. Konzentriert sich auf atmosphärische Milieu- und sensible Charakterzeichnung, entwickelt menschliche Wärme und leisen Humor, nimmt erst spät die Kurve zur Boxaction. Das wirkt nach ruhigem Beginn am Ende etwas gehetzt, bringt die Reihe aber trotzdem zu einem versöhnlichen und persönlichen Abschluss.“ (Blickpunkt:Film) DEL, H, HB, HH, HL, KI, OL

S

Saw III USA, 2006, R: Darren Lynn Bousman, D: Tobin Bell, Shawnee Smith

„Geld stinkt nicht. Warum den schnellen Dollar nicht mitnehmen, wenn ihn der Markt hergibt? Doch auch wenn diese Motive menschlich verständlich sind, so ist ein derartiges Vorgehen im Filmgeschäft nicht immer das cleverste. Mit ‚Saw‘ schufen James Wan und Leigh Whannell aus dem Nichts einen Mythos. Der dreckige, kleine hundsgemeine Genre-Faustschlag eroberte sich eine kolossale Fangemeinde. Doch der Fehler, der schon bei der Fortsetzung ‚Saw 2‘ gemacht wurde, wird mit Sequel Nummer zwei wiederholt. Die Gier, die Kuh im Jahresrhythmus gnadenlos und ohne Rücksicht auf Verluste zu melken (ja Teil 4 und 5 sind bereits angekündigt), schlägt sich negativ auf die Qualität aus. ‚Saw 3‘, wieder unter der Regie des zweitklassigen No Names Darren Lynn Bousman, reduziert sich gänzlich auf die Markenzeichen des Horror-Franchise und lässt dabei jegliche Finesse und Innovation vermissen.“ (filmstarts.de) DEL, H, HB, HH, HL, KI, OL

Schatten im Paradies Finnland 1986, R: Aki Kaurismäki, D: Matti Pellonpää, Kati Outinen / Originalfassung mit Untertiteln

“Aki Kaurismäki ist Trinker, und er macht wunderschöne Filme. ,Schatten im Paradies‘, ein frühes Werk aus dem Jahre 1986, trägt bereits alle Merkmale dieser Kunst. Seine beiden Lieblingsschauspieler, Matti Pellonpää und Kati Outinen, spielen ein verlorenes Liebespaar im tristen Helsinki. Er ein Müllmann, der versucht seine Würde bei dem Job zu wahren, und sie, eine arbeitslose Kassiererin – Antihelden in einer trüben Welt.“ (taz) HH

Schräger als Fiktion USA 2006, R: Marc Forster, D: Will Ferrell, Emma Thompson

„Als der Steuerbeamte Harold Crick eines morgens erwacht, findet er sich verwandelt. Nicht in einen Käfer, wie Kafkas Figur Gregor Samsa, sondern viel schlimmer: der schwer zwanghafte Crick, der sein Leben bis zum letzten Zahnbürstenstrich zu kontrollieren versucht, hört plötzlich eine Stimme in seinem Kopf. Sie entpuppt sich im Lauf dieser verspielt-verspiegelten Geschichte aus der Feder von Newcomer Zach Helm als Erzählstimme der Autorin Karen Eiffel (Emma Thompson), die seit zehn Jahren unter quälenden Schreibblockaden versucht, ihren Roman über einen zwanghaften Steuerbeamten namens Harold Crick zuende zu schreiben… Marc Forsters Inszenierung des hinreissend sprachverliebten Drehbuchs hält am Ende zwar nicht ganz, was sie am Anfang verspricht, doch das Ringen einer Figur gegen die ästhetischen Ideen ihrer Schöpferin bleibt gleichwohl ein Genuss.“ (Neue Zürcher Zeitung) H, HB, HH, HL, KI, OL

Sie sind ein schöner Mann Frankreich 2005, R: Isabelle Mergault, D: Michel Blanc, Medeea Marinescu

„Als dem chronisch schlecht gelaunten französischen Bauern Aymé die Ehefrau wegstirbt, verliert er weniger seine große Liebe als eine tüchtige Arbeitskraft. Da sich das Geschirr nicht von allein spült, schaltet er eine Heiratsvermittlerin ein, die ihn nach Rumänien schickt, um sich dort eine passende Kandidatin auszusuchen. Zurück kommt er mit der tatkräftigen Elena , deren Ehemotive nur zu Anfang rein finanzieller Natur sind. Rund vier Millionen Zuschauer haben das Regiedebüt der Schauspielerin Isabelle Mergault im vergangenen Jahr zu einer der großen Leinwandsensationen in Frankreich gemacht. Dabei zerspringt die Komödie nicht vor Originalität, hat aber so viel altmodischen Charme, dass man ihr das nicht allzu übel nehmen kann.“ (Der Spiegel) H, HH, KI, OL

Das Streben nach Glück USA 2006, R: Gabriele Muccino, D: Will Smith, Jaden Smith

„‚Das Streben nach Glück‘, festgeschrieben in der amerikanischen Verfassung, beflügelte vor 26 Jahren auch den real existierenden, erfolglosen Vertreter und späteren Finanzier Chris Gardner (Will Smith): Gardner, verschuldet, ohne Job und Ehefrau, dafür aber die Sorge um den fünfjährigen Christopher (Smith-Sprössling Jaden) tragend, schaffte es durch Intelligenz, zähe Arbeit und Fortbildung aus bitterer Obdachlosigkeit bis in höchste Millionärsetagen. Ein perfekter US-Traum vom standhaften Amerikaner, den Regisseur Gabriele Muccino zwischen Hochglanz-Armut und Hochdruck-Einsatz seines ehrgeizigen Superstars leicht ermüdend inszeniert hat.“ (Der Spiegel) DEL, H, HB, HH, HL, KI, OL

T

Tagebuch eines Skandals Großbritannien/USA 2006, R: Richard Eyre, D: Judi Dench, Cate Blanchett

„Eine Lehrerin Mitte 30 erregt die Leidenschaft einer altjungferlichen, verbitterten Kollegin und macht sich durch ihr Verhältnis mit einem minderjährigen Schüler erpressbar. Dem Film geht es weniger um reißerischen Thrill als um die Durchdringung der Charaktere, deren Not und Einsamkeit, aber auch Hoffnungen bedrückend erfahrbar werden. Stimmig in Atmosphäre und in der Besetzung bis in die kleinsten Nebenfiguren, wird er von zwei großartigen Hauptdarstellerinnen getragen, wobei ihm das Kunststück gelingt, auch für die vom Leben enttäuschte, verzweifelte Erpresserin ein gewisses Maß an Sympathie zu wecken.“ (filmdienst) H, HB, HH, HL, KI, OL

V

Vier Minuten Deutschland 2006, R: Chris Kraus, D: Hannah Herzsprung, Monica Bleibtreu

Endlich traut sich ein deutscher Filmemacher, großen Kino zu machen. In „Vier Minuten“ passiert alles auf der grandiosen Bühne des Melodramas, ohne dabei je pathetisch oder lächerlich zu wirken. Die Figuren sind überlebensgroß, die Gefühlsausbrüche elementar, die Geschichte märchenhaft überhöht - dies ist eine Filmoper. Kein Wunder also, dass die Musik in ihr eine große Rolle spielt. Sie bringt die beiden Protagonistinnen zusammen und verstrickt sie bald in einen Zweikampf am Piano. Die Klavierlehrerin Traude Krüger gibt schon seit 60 Jahren Musikunterricht in einem Frauengefängnis, aber solch eine Gefangene wie die Jugendliche Jenny hat sie noch nie gesehen. Diese ist ruppig, unberechenbar und aufsässig, aber auch eine Virtuosin am Klavier. Alles an dieser 20jährigen Mörderin ist der alten Frau zuwider, aber den Verlockungen ihres außergewöhnlichen Talents kann sie nicht widerstehen, und so versucht sie die Widerspenstige zu zähmen und wird dabei selber aus der seelischen Versteinerung geweckt, in der sie fast ihr ganzes Leben lang gefangen war. (hip) H, HB, HH, HL, OL

Vitus Schweiz 2005, R: Fredi M. Murer, D: Teo Gheorghiu, Bruno Ganz

“Ein hochbegabter Junge, dessen Karriere als Pianist von seiner ehrgeizigen Mutter forciert wird, findet eine kindgerechte Rückzugsmöglichkeit bei seinem erdverbundenen Großvater, der auch noch zu ihm hält, als er durch einen Sturz vom Balkon zum ,normalen‘ Kind wird. Die mit märchenhaften Untertönen konventionell erzählte Geschichte einer Menschwerdung mit geschliffenen Dialogen und eindrucksvollen schauspielerischen Leistungen. Eine Liebeserklärung an die Kindheit und die Musik.“ (filmdienst) H, HB, HH

W

Der weiße Planet Kanada/Frankreich 2006, R: Jean Lemire, Thierry Piantanida, Thierry Ragobert

„In diesem Dokumentarfilm ist die Geburt eines Eisbärenbabys erstmals aus nächster Nähe zu sehen. Angesichts solch bewegender Naturaufnahmen setzen die Dokumentaristen Thierry Piantanida und Thierry Ragobert in alter französischer Tierfilmersitte zu poetischen Höhenflügen an und dichten Walrosse zu den Philosophen der Arktis um. Und tatsächlich: Den Tieren wachsen Sloterdijk-Schnauzer. Kein Wunder also, dass dieser vom Bund für Umwelt und Naturschutz unterstützte Film die Zuschauer eindringlich vor der Erderwärmung warnt: Wenn das Walross schwitzt, wird für die Menschen das Eis immer dünner.“ (Der Spiegel) DEL, HB, HH

Das wilde Leben Deutschland 2007, R: Achim Bornhak, D: Natalia Avelon, Matthias Schweighöfer

„Uschi Obermaier war 1968 das deutsche Oben-ohne-Pendant zum bärtigen Ché-Guevara-Heiligenbildchen. Sie sprengte die „Kommune 1“ und turtelte mit den Rolling Stones. Schade: Biederer und kreuzbraver als im nächste Woche startenden Kinofilm „Das wilde Leben“ hätte man ihre Geschichte nicht verfilmen können. Für einen abendfüllenden Spielfilm ähnelt „Das wilde Leben“ zu sehr den mittelmäßigen Fließband-Produktionen des deutschen Fernsehens, in denen wilde Kerle oder freche Mädchen ihre pseudodramatischen Rollenspielchen vorhersehbar abspulen. So ist auch dieses Kinodebüt des 38-jährigen Regisseurs Achim Bornhak, der bislang zwei TV-Filme, vor allem aber Werbe- und Musikclips für MTV und Viva gedreht hat, nur ein bunter Bilderbogen ohne schlüssige Dramaturgie. Brav hält man sich an der Chronologie fest.“ (Der Spiegel) H, HH, KI

Die wilden Kerle 4 Deutschland 2007, R: Joachim Masannek, D: Jimi Blue Ochsenknecht, Wilson Gonzalez

„Mittlerweile fahren die populären Kicker-Knirpse Motorrad, leben eltern- und schulfrei im Wald. In der Story geht es um eine (aus der griechischen Mythologie entlehnte) Eifersuchtstragödie, bevor es zum bewährten Fußballspiel-Showdown kommt. Trotz schwerer Dramaturgie-Verstöße werden die Kids diesen pathetisch-kruden Mix aus „Mad Max“, „The Tribe“ und „Wir Kinder aus Bullerbü“ lieben.“ (Cinema) BHV, DEL, H, HB, HH, HL, KI, OL